Wednesday, January 6, 2010

Einmal al-Qaida, immer al-Qaida - der Fall al-Balawi


"I
hr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen" - ein Vers des Johannes-Evangeliums, prangt lesbar in den heiligen Hallen von Amerikas "Schattenkriegern", dem Eingangsbereich des CIA-Hauptquartiers in Langley.
Nicht für Freiheit sondern für Schock und Ensetzen sorgen hingegen neue Informationen über die Hintergründe des Selbstmordattentats, bei dem vergangene Woche im afghanischen Khost sieben CIA-Agenten, darunter zwei Mitarbeiter der Blackwater-Nachfolgefirma Xe Services, getötet wurden.


Der Attentäter Humam Khalil Abu Mulal al-Balawi konnte am 30.Dezember 2009 völlig ungehindert den Fitnessraum der CIA-Basis "Forward Operating Base Chapman" (Camp Chapman) betreten, weil die Geheimdienstler ihn für einen vertrauenswürdigen Informanten hielten.
Nur wenige Stunden vor seinem Anschlag in der amerikanischen Geheimdienstanlage war im pakistanischen Grenzland abgeholt worden. In einem Fahrzeug wurde der Araber zum Camp Chapman gebracht, in der Hoffnung er liefere entscheidende Informationen für einen Sieg im Kampf gegen das Terrornetzwerk al-Qaida. Stattdessen brachte al-Balawi den Tod. Kaum hatte er den Raum voller CIA-Agenten betreten, zündete er seine Sprengstoffweste.

Schon kurze Zeit nach dem Anschlag, bekannten sich die afghanischen Taliban und ihr Pressesprecher erklärte, der Attentäter sei ein uniformierter afghanischer Soldat gewesen. Er habe sich als Informant ausgeben und so Zutritt zu Camp Chapman bekommen.
Hätte sich diese Behauptung als wahr erwiesen, wäre sie skandalös genug. Doch die Wahrheit, die erst jetzt langsam aus Geheimdienstkreisen zu erfahren ist, wirkt wie aus einem Agententhriller und bedeutet einen schweren Rückschlag in Amerikas Anti-Terror-Krieg.

Der Attentäter war kein Afghane, weder Polizist noch Soldat. Er erhielt auch nicht Zugang zur CIA-Basis weil er eine afghanische Uniform trug. Humam Khalil al-Balawi war ein Informant, ein Spitzel von dem die Amerikaner glaubten, er arbeite für sie und gegen al-Qaida.
In Wahrheit aber spielte der 32jährige Arzt monatelang ein falsches Spiel. Kein verärgerter afghanischer Guardist, sondern ein al-Qaida Doppelagent ermordete dieamerikanische Geheimdienstler und einen jordanischen Militäroffizier, sondern ein islamistischer Maulwurf.



Mittlerweile ist bekannt dass der Suizidbomber vor etwa einem Jahr vom jordanischen Geheimdienst GIP verhaftet und als al-Qaida Sympathisant drei Tage inhaftiert wurde.
Die Agenten des Königshauses waren auf ihn aufmerksam geworden, als er kurz nach der israelischen Offensive im Gaza-Streifen, in einem palästinensischen Flüchtlingscamp in Zarqa arbeitete.
Die ärmlichen Industriestadt ist der Geburtsort von Abu Mussab al Zarqawi, dem getötete irakische al-Qaida Chef. Ihn soll al-Balawi, den ein ehemaliger Schulkamerad als "tiefgläubig" und "unsozial" beschreibt, heldenhaft verehrt haben.

Der 1977 in Kuwait geborene Spross eines saudischen Beduinenstammes, floh 1990 vor Saddam Husseins Truppen nach Jordanien. Nach dem Abschluss an der High School von Amman ging Humam al-Balawi zum Medizinstudium in die Türkei, wo er seine spätere Frau, eine türkische Journalistin, kennenlernte.
In Dschihad-Kreisen war al-Balawi nur unter einem Decknamen eine feste Größe an der Internetfront des Dschihad.
Als "Abu Dujana al Khorasani“ betrieb er äußerst aktiv Propaganda über das Internet. Über Jahre hinweg etablierte er sich als einer der einflussreichsten Dschihad-Ideologen des Cyberspace. Jarret Brachman, Terrorismus-Experte am zählt ihn zu den "Top 5 Online-Dschihadisten".

Al-Balawi betrieb einen eigenen Blog, den er auf der britischen "Isle of Man" angemeldet hatte und auf dem er sein Idol Osama Bin Laden pries.
Dutzende Schriften, hunderte Einträge und Kommentare hinterlies der virtuelle Gotteskrieger in passwortgeschützten Internetforen. Sein Intellekt, die Wortwahl seiner Schriften und seine theologische Kompetenz beeindruckten viele Online-Islamisten und brachten al-Balawi wohl in Kontakt mit Vertretern von al-Qaida im Nahen Osten.

Junge Islamisten für den Krieg in Afghanistan, Irak und Palästina zu begeistern, war das Hauptanliegen al-Balawis. Muslime aus allen Schichten und Nationen rief er auf, sich den Mudschaheddin anzuschließen. Dabei, so machte er als "al-Khorasani" deutlich, seien die muslimischen Immigranten in Europa und allen anderen Erdteilen nicht ausgeschlossen.
Er selbst verließ Jordanien im März 2009 Richtung Afghanistan, mit dem Ziel endlich selbst in den Dschihad zu ziehen.
Der Familie hatte er erzählt, er reise in die Türkei, wolle dort seine Frau und die beiden gemeinsamen Töchter besuchen.

"Er hat uns reingelegt", berichtet ein Angehöriger al-Balawis, "er hat gesagt er wollte seine humanitäre Arbeit fortsetzen, stattdessen hat er eine Selbstmordaktion verübt."
In einem Interview, das die Taliban in einem Online-Magazin veröffentlichten, berichtete er im September 2009 unter seinem Pseudonym "Abu Dujana al-Khorasani", er habe den Schritt gewagt und sich persönlich dem Dschihad angeschlossen.
"Wenn die Liebe zum Dschihad das Herz eines Mannes erobert", schwärmte er, "wird ihn nichts davon abhalten, selbst wenn er dies wollte." Die Nachricht von einem Selbstmordanschlag im Irak oder eine neue Botschaft Bin Ladens würde jeden Dschihad-Willigen an seine Pflicht erinnern, so der Extremist.

Zu dieser Zeit war sich der jordanische Geheimdienst überzeugt, al-Balawi wäre erfolgreich "umgedreht" worden und einer von ihnen, der seine Rolle als Gotteskrieger perfekt spielte.
Kurz nach seiner Entlassung aus der Haft Anfang 2009, hatten die Geheimdienstler damit begonnen den gefeierten Dschihad-Blogger anzuwerben. Es gab zunächst regen Email-Austausch, bei dem al-Balawi brisante, teilweise sogar gefährliche Insider-Informationen lieferte und immer wertvoller für die Sicherheitsdienste zu werden schien.

"Wir blieben in Kontakt mit ihm, um weitere Informationen zu bekommen", berichtet eine anonyme, jordanische Geheimdienstquelle, "wir haben die Informationen mit anderen Geheimdiensten geteilt."
Humam al-Balawi, so der Plan der jordanischen Geheimdienstler sollte arabische al-Qaida Zellen in Afghanistan infiltrieren. Falls möglich sollte er an die Führungsspitze des Terrornetzwerkes, die sich im pakistanischen Grenzland aufhalten soll, herankommen.

Nachdem es al-Balawi gelungen war Kontakt zu al-Qaida Elementen in Pakistan herzustellen, boten die Jordanier ihren wertvollen Informanten den amerikanischen Kollegen an. Die nahmen das Angebot dankbar ihn an und setzten al-Balawi begeistert auf al-Qaidas Nr.2, Ayman al Zawahiri an. Ihn sollte der jordanische Informant in Waziristan aufspüren und an die CIA verraten.
Entgegen der Annahmen seiner jordanischen Anwerber, legte al-Balawi jedoch nie seine Sympathie für al-Qaida ab. Im Gegenteil.
Dem Terrornetzwerk und den pakistanischen Taliban bot er begeistert seine Dienste an und gab über Monate hinweg gezielt gesetzte Informationen über die Terroristen an den jordanischen GIP und die CIA weiter. Einiges erwies sich für die Antiterror-Einheiten sogar als korrekt und brauchbar. Keiner der westlichen Spione ahnte dabei, dass sie es mit einem Doppelagenten zutun hatten.

Wenige Tage vor dem blutigen Attentat in Khost, kontaktierte Humam al-Balawi seine jordanischen Mittelsmänner. Er habe "dringende Informationen über Zawahiri", erklärte er und müsse sie schnellstmöglich an die Amerikaner weitergeben.
Jordaniens Geheimdienst entsandte daraufhin Captain Sharif Ali Bin Zeid, einen Cousin des Königs und Vertrauten al-Balawis. Bin Zeid brachte den vermeintlichen Überläufer zur US-Basis, wo der Terrorist ohne Sicherheitscheck bis in die Sporträume der CIA-Mitarbeiter vordringen und seine Bluttat ausführen konnte.

Die pakistanischen Taliban (TTP) kündigten an, es werde bald einen Videobeweis geben, der zeige dass der Attentäter ein Jordanier war. Hakimullah Mehsud, Anführer der TTP prophezeite schon vor wenigen Tagen: "Dies werden bald die CIA und die jordanische Regierung zugeben." Gleichzeitig feiern die Islamisten das Attentat als Rache für die Ermordung von Baitullah Mehsud im August 2009.
Daheim in Jordanien erfuhr die Familie des Attentäters bereits am Tag nach der Tat von dessen Tod. Ein anonymen Anrufer, der behauptete im Namen der Taliban zu sprechen, gratulierte zum Märtyrertod al-Balawis.
Später kontaktierte Jordaniens Geheimdienst die Eltern und Verwandten und schärfte ihnen ein, mit niemandem über den Vorfall in Afghanistan zu sprechen. Selbst eine Beerdigungsfeier, so berichtet ein Angehöriger, sei ihnen verboten worden und der jüngere Brüder al-Balawis wurde laut Al Jazeera kurzzeitig verhaftet.

Der jordanische Geheimdienstler Captain Bin Zeid kam ebenfalls beim selbstmörderischen Anschlag seines Schützlings ums Leben. Das Königshaus ließ verlauten Bin Zeid sei "als Märtyrer im Dienst einer heiligen Pflicht für sein Land" gefallen. Bei der Trauerfeier des Agenten waren neben mehreren Mitgliedern der jordanischen Königsfamilie auch König Abdullah II. und dessen Ehefrau Königin Rania anwesend.

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