Friday, January 22, 2010
Aus dem Jemen ferngesteuert - Der Fall von Little Rock war die Warnung
William Long (23) und sein Kamerad Quinton Ezeagwula (18) machten gerade eine Zigarettenpause. Die beiden Soldaten schoben Dienst im Rekrutierungsbüro der US-Army, direkt am Einkaufszentrum von Little Rock, einer Kleinstadt in Arkansas.
Es war der 01.Juni 2009 und die jungen Soldaten konnten nicht damit rechnen in der amerikanischen Provinz, weit weg vom Irak und Afghanistan, Opfer einer Attack eines islamistischen Gotteskriegers zu werden.
Aus heiterem Himmel zog ein Afroamerikaner ein halbautomatisches Sturmgewehr und eröffnete das Feuer auf die Long und Ezeagwula. Der 23jährige Private Long war sofort tot, sein Kamerad überlebte den Angriff schwer verletzt.
Der Täter, den die Polizei wenig später verhaften konnte war genauso alt wie seine Opfer. Geboren wurde der aus Tennessee stammende Schütze als Bledsoe in Memphis. Vor einigen Jahren war er zum Islam konvertiert und nannte sich Abdul Hakim Muhammad.
Noch als die Polizei Muhammad verhaftete, gab er an, er habe "im Namen Allahs" gehandelt und als "Rache am US Militär". Er habe die Tat begangen um die Entehrung des Koran durch US-Soldaten in Afghanistan und den Mord und die Vergewaltigung von Muslimen zu rächen. "US Soldaten töten unschuldige muslimische Männer und Frauen. Wir glauben dass wir zurückschlagen müssen", erklärte Muhammad, "Wir glauben an Auge für Auge. Wir glauben nicht daran die andere Wange hinzuhalten."
Vor Gericht plädierte der Konvertit "unschuldig", übernahm jedoch die volle Verantwortung für seine Tat. Muhammad´s Anwalt berichtete sein Mandat sei im Jemen inhaftiert gewesen, und habe durch die dortige Folterung eine Radikalisierung durchlebt. Abdul Hakim Muhammad wies dies nur wenig später zurück und gab an, im Jemen gut und respektvoll behandelt worden zu sein. Erst sechs Monate vor seiner Tat in Little Rock, war Muhammad aus dem Jemen in die USA zurückgekehrt, das Außenministerium hatte auf eine Auslieferung gedrängt.
Fakt ist, Muhammad war im Herbst 2007 in den Jemen gereist und hatte dort Englisch unterrichtet, und im Gegenzug Arabischunterricht erhalten. Außerdem, so erklärte er, habe er die Religion studieren wollen. Entscheident ist, wo Muhammad die 16 Monate an der Südspitze der Arabischen Halbinsel verbrachte. Einen großen Teil der Zeit soll der junge Amerikaner in Dammaj verbracht haben, jenem Salafisten-Dorf im Nordwesten des Landes, in das hunderte Konvertiten aus aller Welt ziehen um eine puritanische Interpretation des Islam im strengen, abgeschirmten Selbststudium zu finden.
In Dammaj, genauer im dortigen Schulungszentrum Dar ul-Hadith werde der Grundstein gelegt für die spätere terroristische Laufbahn, so formulieren es Geheimdienstler oft. Al-Qaidas Ideologie werde dort in intellektueller Art und Weise vermittelt, in einer Umgebung, die mehr an das Mittelalter erinnert als an das neue Jahrtausend. Einige der 3000 permanent dort lebenden Studenten zog es später tatsächlich in den Dschihad nach Afghanistan oder in den Irak. Mindestens sechs ehemalige Dammaj-Schüler saßen und sitzen derzeit in Guantanamo, andere, wie der "American Taliban" John Walker Lindh, wurden zwangweise von ihrer Dschihad-Karriere abgebracht.
Ohne Zweifel hinterließ Dammaj Spuren bei Abdul Hakim Muhammad. Der ultraorthodoxe Salafismus geht einher mit der Einstellung, dass ein Leben in einer anderen Umgebung als einer islamischen, nicht mehr denkbar bzw. nicht mehr ideal ist. Eine Rückkehr in die westliche Gesellschaft mit all ihren Versuchungen und ihren Sünden, fällt schwer für jene die Monate oder Jahre im jemenitischen Exil lebten und für die der Islam in Fleisch und Blut übergangen ist.
Der Fall des Abdul Hakim Muhammad wurde von der Presse beinahe unbeachtet ignoriert. Er erschien wie ein gewöhnlicher Amoklauf, einer von vielen die es in den USA jedes Jahr gibt. Major Nidal Hasan und seine Bluttat von Fort Hood, Texas, änderte alles. Der US-Muslim palästinensischer Herkunft soll im Internet ein Zweitleben geführt haben, im regelmäßigen E-Mail-Austausch mit dem amerikanisch-jemenitischen Prediger Anwar al Awlaki, der sich seit 2004 im Jemen versteckt hält. Hasan, so vermuten die Ermittler, habe durch Awlaki die religiöse Rechtfertigung für den Mord an 13 amerikanischen Soldaten, seinen eigenen Kameraden, erhalten. Durch Gehirnwäsche und massive Ideologierung könnte Awlaki den psychisch labilen, sozial ausgegrenzten Hasan ferngesteuert haben.
Awlaki wiederum ist für viele Experten mittlerweile fester Kern der jemenitischen al-Qaida. Anders als Sheikh Zindani ("der Rote Sheikh"), der durch seine antiwestlichen Predigen im Al Eman Insitute von Sanaa bereits in der Presse bekannt wurde, hat sich Awlaki auf das Internet spezialisiert. Dort fängt er mit muttersprachlich-englischen Predigten auf Youtube vor allem islamistische Sympathisanten unter den Muslimen Europas und Nordamerikas. Sein eigener Blog wird zum Sprachrohr eines al-Qaida Sympathisanten der am Ufer des Rio Grande, in New Mexico zur Welt kam.
Als am Weihnachtstag 2009 der Nigerianer Umar Abdulmutallab versuchte mit einem Sprengsatz in der Unterwäsche eine US-Passagiermaschine in die Luft zu sprengen, kam wieder der Name Awlaki auf. Zu ihm soll Abdulmutallab sogar direkten Kontakt gehabt haben, während seiner Zeit im Jemen habe er dem Imam predigen gehört, und später habe Awlaki als al-Qaida Kontaktmann den nigerianischen Bankierssohn auch persönlich getroffen.
Ob auch der Schütze von Little Rock Kontakt zum charismatischen Imam Awlaki hatte, wurde bislang nicht klar. Abdul Hakim Muhammad war im Jemen, er besuchte mehrere Monate lang die Schulungseinrichtung Dar ul-Hadith in Dammaj und er lehrte in Sanaa Englisch. Viele Indikatoren die ihn zu einem möglichen Anhänger Awlakis machen.
Dazu kommt seine Zeit in einem jemenitischen Gefängnis, die in der Regel nicht ohne Folter und Misshandlung einher geht. Zu verbüßen hatte Muhammad die Haftstrafe weil sein Visum abgelaufen war und er sich eine somalische Aufenthaltsgenehmigung besorgt hatte.
Völlig überraschend schickte Muhammad jetzt einen handschriftlichen Brief an seinen Anwalt. Darin fordert der inzwischen 24jährige das Gericht auf, seine ursprüngliche Aussage zu ändern. Er bekenne sich nun "schuldig" und protzt seine Tat sein ein "dschihadistischer Angriff" gewesen. "Ich war nicht geisteskrank, oder traumatisiert", schreibt Muhammad, "noch wurde ich zu dieser Tat gezwungen." Der Mord an Private Long sei "nach Islamischer Rechtsordnung gerechtfertigt", und die praktische Umsetzung des "Dschihad - gegen jene zu kämpfen, die Krieg gegen den Islam und die Muslime führen."
Mord wollte Muhammad seine Tat schon im Juni 2009 nicht nennen. "Es ist kein Mord, es ist Krieg!", verkündete er stolz. Nun möchte Muhammad mehr sein als nur ein islamistisch-inspirierter Amokläufer. In seinem neusten Brief nennt er sich selbst einen "Soldaten der Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel". Er habe Kontakt zur al-Qaida im Jemen gehabt und sei ein Mitglied von "Abu Basir´s Armee". Dies ist eindeutig eine Anspielung auf "Abu Basir", den Kampfnamen des jemenitischen al-Qaida Chefs, Nasir al Wuhayshi.
War Abdul Hakim "Muhajed" Muhammad tatsächlich in den al-Qaida Trainingscamps? Was macht ihn zu einem al-Qaida "Mitglied"?
Mit seiner neuen Aussage, in der er sich selbst zum Gotteskrieger stilisiert macht sich Muhammad zum "Märtyrer". Da ihn wahrscheinlich eine lebenslange Haftstrafe erwartet, will er sich im Nachhinein zum Helden des Dschihad profilieren und liefert damit al-Qaida eine propagandistische Vorlage.
Nach Major Hasan und nach Abdulmuttalb nun auch noch hinter dem geglückten Angriff des afroamerikanischen Konvertiten Muhammad zu stecken, wäre zuviel der Ehre für Jemen´s al-Qaida. Denkbar ist aber durchaus dass es diese Verbindungen gab, dass Muhammad im Jemen Kontakte zu den militanten Islamisten knüpfte, vielleicht sogar Awlakis Predigten besuchte.
Kurz nach 9/11 befürchteten Geheimdienste einheimische Terrorzellen könnten losschlagen und auf die amerikanischen Aggressionen in Afghanistan und dem Irak reagieren. Dies blieb aus. Amerikas Muslime verhielten sich friedlich, betonten die gelungene Integration, protestierten zwar, aber legten keine Bomben.
Beinahe 10 Jahre nach dem 11.September scheint nun das einzutreten vor dem Geheimdienstler vor Jahren bereits Angst hatten. Amerikanische Muslime verüben in den USA Anschläge gegen ihre "fellow Americans". Der Trend ist beunruhigend, aber weniger dramatisch als die Gegenseite es darstellen möchte. Nidal Hasan war nicht jene "islamistische Drohne", wie die Online-Dschihadisten kurz nach seiner Tat frohlockten, und der nigerianische "Unterhosen-Bomber" war zwar entschlossen, aber unfähig seine Tat auszuführen. Radikalisierung alleine, auch ohne Terrorlager, Auftraggeber und Abschiedsvideos, kann verheerend sein. Durch das Internet kann der moderne Dschihadist jederzeit wieder in eine Welt eintauchen, die er vielleicht selbst nie erlebt hat.
Abdul Hakim Muhammad kannte das "Leben wie in 1001 Nacht" aus Dammaj, er kannte ein islamisches Bürgerkriegsland in dem offen Dschihad in Moscheen gepredigt werden kann, in dem es mehr Waffen als Menschen gibt und in dem junge Männer zu lebenden Bomben werden. Diese Welt wieder gegen den modernen Westen einzutauschen fällt schwer, sie haftet und nagt am eigenen Gewissen. Aus Sicht dieser jungen Menschen kann Ungerechtigkeit nicht ungesühnt bleiben und so entstehen unlogische, irrationale Verbindungen und Schuldzuweisungen. Sie fühlen sich in die Rolle jenes "Robin Hood" versetzt, der durch die Staatsbürgerschaft die Möglichkeit hat, jene, die für all das Leid der Muslime weltweit angeblich die Verantwortung tragen, mitten im Herz zu treffen.
Die Fälle Hasan, Abdulmutallab und Muhammad verliefen so und die Gefahr besteht dass weitere folgen werden. al-Qaida wird das Angebot des Todesschützen von Little Rock nicht ablehnen und ihn zu einem weiteren, in Kuffar-Hand inhaftierten Helden erklären.
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