Regelmäßig meldet das Pentagon Luftangriffe in Afghanistan gegen Taliban-Ziele. Die Regionen variieren, die Umstände ebenfalls, nur die Opferzahl scheint in vielen Fällen auffällig gleich. Erstaunlich häufig ist die Rede von 30 Opfern, Taliban wie Zivilisten. Der Grund dafür liegt in der Bürokratie des US-Militärs, die einerseits die Befehlskette nicht gefährden, andererseits die mediale Berichterstattung beeinflussen möchte.
In Kürze wird sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestages mit dem umstrittenen Luftangriff von Kunduz beschäftigen. Eine der wohl wichtigsten Fragen, die durch die Kommission geklärt werden sollen ist, wie viele Zivilisten nun tatsächlich Anfang September 2009 bei der Bombardierung zweier Tanklaster ums Leben kamen.
Aus Sicht der NATO war die Lage offenbar schon Mitte September 2009 absolut klar. Der kanadische Major General Charles S. Sullivan hatte eine Woche lang mit einem Untersuchungsteam im Auftrag der ISAF vor Ort Analyse und Auswertung betrieben.
Die Ermittler kamen zum Ergebnis dass der von der Bundeswehr befohlene und von zwei US-Kampfjets ausgeführte Bombenangriff insgesamt 100 Afghanen getötet hatte. Davon seien 70 den Taliban zuzurechnen und 30 seien Zivilisten.
Die Ermittler kamen zum Ergebnis dass der von der Bundeswehr befohlene und von zwei US-Kampfjets ausgeführte Bombenangriff insgesamt 100 Afghanen getötet hatte. Davon seien 70 den Taliban zuzurechnen und 30 seien Zivilisten.
Es war nicht das erste Mal dass die NATO schon kurz nach einem solchen Vorfall erstaunlich präzise von 30 zivilen Opfern als Bilanz sprach, und es sollte auch nicht das letzte Mal bleiben.
Seit Jahren beziffern vor allem amerikanische Militärs in Afghanistan und im Irak auffällig häufig die Zahl getöteter Aufständischer und auch Zivilisten auf exakt oder „bis zu 30“. Einheimischen Quellen zufolge liegt die Opferzahl bei vielen Vorfällen weit höher und wird oft erst im Nachhinein durch die westlichen Militärsprecher berichtigt.
Seit Jahren beziffern vor allem amerikanische Militärs in Afghanistan und im Irak auffällig häufig die Zahl getöteter Aufständischer und auch Zivilisten auf exakt oder „bis zu 30“. Einheimischen Quellen zufolge liegt die Opferzahl bei vielen Vorfällen weit höher und wird oft erst im Nachhinein durch die westlichen Militärsprecher berichtigt.
Im Jahr 2009 meldete die NATO bei bis zu zehn Einsätzen, Bombardierungen und Artillerieangriffen in Afghanistan den Tod von „bis zu 30 mutmaßliche Taliban“.
- 01.April 2009: US und afghanische Truppen haben 30 Taliban, darunter einen lokalen Anführer, einer Operation in der Provinz Helmand getötet
- 24.Juni 2009: 30 Taliban werden bei Angriffen der NATO und afghanischen Truppen in Süd-Afghanistan getötet
- 04.Juli 2009: Bis zu 30 Taliban Kämpfer sterben als die US Truppen Luftunterstützung in Paktika anforderten
- 22.August 2009: 30 Taliban sterben bei US-Luftangriffen in West-Afghanistan
- 29.November 2009: Bis zu 30 Taliban sterben bei einem NATO-Luftangriff nahe Khost, Ost-Afghanistan
- 07.Dezember 2009: Bis zu 30 militante Kämpfer sterben bei einem NATO-Luftangriff in Ost-Afghanistan
Nicht nur in Afghanistan, auch im Irak, bei den US-Drohnenangriffen in den pakistanischen Stammesgebieten und jüngst bei einem Luftangriff im Jemen erscheint überraschend häufig die „magische 30“.
Handelt es sich dabei nur um Zufälle? Taliban, al-Qaida & Co dürften ihre kämpfenden Einheiten wohl kaum genau auf 30-Mann-Teams eingegrenzt haben.
Handelt es sich dabei nur um Zufälle? Taliban, al-Qaida & Co dürften ihre kämpfenden Einheiten wohl kaum genau auf 30-Mann-Teams eingegrenzt haben.
Die Meldung von 30 getöteten Feinden ist keine beliebig gewählte Zahl sondern allem Anschein nach schon seit Jahren Teil der Pentagon-Politik bezüglich Kollateralschäden. Begründet liegt diese Taktik in der Analyse von PR-Berichterstattung.
„Collateral damage estimate“ (Kollateralschaden-Einschätzung), so lautet der militärische Fachbegriff für die Anwendung von Pentagon-Protokollen bei der Vorarbeit von Luftangriffen. Damit soll die Außenwirkung der militärischen Operationen vorhergesagt und genaustens bestimmt werden.
„Collateral damage estimate“ (Kollateralschaden-Einschätzung), so lautet der militärische Fachbegriff für die Anwendung von Pentagon-Protokollen bei der Vorarbeit von Luftangriffen. Damit soll die Außenwirkung der militärischen Operationen vorhergesagt und genaustens bestimmt werden.
Der amerikanische Journalist Nicholas Goldberg beschrieb im Juli 2009 in einem Artikel der „L.A. Times“ diese Vorgehensweise der Militärs.
„Oft arbeiten US-Militärkommandeure und Juristen im Vorfeld von Luftangriffen zusammen“, erklärte Goldberg, „sie benutzen sehr präzise, vom Pentagon angeordnete Protokolle um festzulegen ob die positiven Resultate die negativen überwiegen werden.“
„Oft arbeiten US-Militärkommandeure und Juristen im Vorfeld von Luftangriffen zusammen“, erklärte Goldberg, „sie benutzen sehr präzise, vom Pentagon angeordnete Protokolle um festzulegen ob die positiven Resultate die negativen überwiegen werden.“
Dies bedeute, dass das US-Verteidigungsministerium die Auswirkung bestimmter Opferzahlen in den Medien einkalkuliert. Offenbar sind nach Ansicht der US-Militär 30 Opfer bei einem einzigen Vorfall kein Auslöser für eine überdurchschnittlich negative Berichterstattung. Mit der Nennung dieser Zahl in Presseverlautbarungen geht das Pentagon auf Nummer sicher.
Einsätze bei denen laut Einschätzung der Militärs mehr als 30 Menschen getötet werden könnten, müssen jedoch im Vorfeld vom Verteidigungsminister selbst oder dem US-Präsidenten abgesegnet werden, so sieht es laut Goldberg die Pentagon-Bürokratie vor. Dadurch kann bereits im Vorfeld Pressearbeit geleistet und vorbereitet werden.
Bestätigt hatte dies bereits 2008 der ehemalige Militärberater der Bush-Administration.
Marc Garlasco war im Pentagon zuständig für die Auswahl von sogenannten „high value“ Ziele während des Irakkrieges 2003 und orderte damals unter anderem einen Luftangriff auf Saddam Husseins Cousin, Ali Hassan al Majid („Chemie-Ali“).
Marc Garlasco war im Pentagon zuständig für die Auswahl von sogenannten „high value“ Ziele während des Irakkrieges 2003 und orderte damals unter anderem einen Luftangriff auf Saddam Husseins Cousin, Ali Hassan al Majid („Chemie-Ali“).
Die Bomben verfehlten ihr Ziel und töteten 17 Zivilisten, was Garlasco dazu veranlasste das Pentagon zu verlassen und für Human Rights Watch zu arbeiten.
In einem Interview mit dem US-Sender CBS News erklärte Garlasco im August 2008: „Es gibt eine makabre Kalkulation, die das Militär vor jedem Luftangriff anwendet und mit der sie rausfinden wie viele tote Zivilisten ein toter böser Typ wert ist.“
Über seine damalige Arbeit zur Auswahl von über 50 Zielen im Irak sagte der Ex-Militär: „Unsere magische Zahl war 30. Zum Beispiel, wenn 29 Zivilisten in einem Angriff auf Saddam Hussein sterben, dann ist das kein Problem.“
Weiter erklärte Garlasco: „Aber sobald die Anzahl 30 erreicht, mussten wir entweder zu Präsident Bush oder Verteidigungsminister Rumsfeld gehen.“
Über seine damalige Arbeit zur Auswahl von über 50 Zielen im Irak sagte der Ex-Militär: „Unsere magische Zahl war 30. Zum Beispiel, wenn 29 Zivilisten in einem Angriff auf Saddam Hussein sterben, dann ist das kein Problem.“
Weiter erklärte Garlasco: „Aber sobald die Anzahl 30 erreicht, mussten wir entweder zu Präsident Bush oder Verteidigungsminister Rumsfeld gehen.“
Daraus ist zu schließen, dass bereits 2003 die US-Militärkommandeure vor Ort nur Luftangriffe anordnen durften, die nach ihrer Einschätzung bis zu 30 Menschenleben kosten würden Alles darüber Hinausgehende musste von höherer Stelle abgesegnet werden um Negativ-Presse einzudämmen.
In Afghanistan hat die Obama-Administration anscheinend die Bush-Politik bezüglich der Kollateralschäden unverändert übernommen und meldet regelmäßig Angriffe auf Taliban-Stellungen mit den „magischen“ 30 Toten. Und nicht nur dort.Von der CIA-gesteuerte Drohnenangriffe in Pakistan forderten nach Erstaussagen von amerikanischer Seite meist ebenfalls „bis zu 30“ Tote auf Seiten von Taliban, al-Qaida und Dorfbewohnerin.
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