Monday, January 11, 2010

Die Märchen des Abdullah Ali Saleh - Von einem, der gern Opferlamm sein will


N
ur ein Staatsmann der arabischen Welt herrscht länger als Jemens Präsident Abdullah Ali Saleh, nämlich der libysche Diktator Muammar al Ghadafi.
Wie sein nordafrikanischer Kollege gehört auch Saleh zu einer sterbenden Generation arabischer Herrscher, die in Zeiten des Nationalismus, in Zeiten des Systemkampfes zur Macht aufstiegen und den Islamismus nicht als reine Bedrohung, sondern auch als brauchbares Werkzeug sehen - ein tödlicher Fehler.


Seit dem versuchten Bombenanschlag auf NWA Flug 453 in Detroit rückt der Jemen und seine politische Führung immer mehr ins Rampenlicht der internationalen Politik. Heute bereiste der neue deutsche Außenminister Guido Westerwelle das Bürgerkriegsland, dessen Alleinherrscher jüngst dankbar internationale Unterstützung im Kampf gegen al-Qaida angenommen hatte und versprach sein Land werde nicht zu einem "neuen Afghanistan" mutieren.

Auch wenn die Weltpresse sich erst seit ungefähr zwei Wochen auf den bitterarmen Süden der Arabischen Halbinsel stürzt, so sei hier doch darauf verwiesen, dass einige Quellen (beispielsweise dieser Blog) schon seit längerem auf das Monster verweisen, das im Jemen zu einer Bedrohung für die Sicherheit westlicher Staaten heranwächst.

Derzeit überschlagen sich die Reportagen, Berichte, Analysen und Kommentare in Sachen "Terrorland Jemen"und der "Neuen Front im Krieg gegen al-Qaida". Unter all jenen Schreiberlingen sind wenige, die ansprechen worum es eigentlich geht.
Der Fall des nigerianischen Terrorrekruten Abdul Mutallab war ein Schock für die USA und all jene die al-Qaida als zurückgedrängt, besiegt oder geschwächt empfunden haben. Für Jemen´s Staatsführung war der gescheiterte Attentäter ein echter Glücksfall.

Wie nie zuvor in den vergangenen Jahren gilt die Aufmerksamkeit der Außenpolitik von Washington bis Berlin dem arabischen Armenhaus. Präsident Saleh versteht es nur zu gut die Gust der Stunde zu nutzen und sich als Opferlamm zu präsentieren. Er inszeniert sich als Herr eines geschundenen Landes, bedroht durch einen Bürgerkrieg der vom Mullah-Regime Teherans finanziert wird, bedroht durch kommunistische Separatisten im Süden, durch islamistische Fanatiker die angeblich aus Afghanistan, Pakistan und nicht zuletzt auch Guantanamo seine Nation überschwemmen.

Dahinter stehen knallharte Interessen eines Staatsmannes, dessen Kassen leer, Wirtschaft am Boden und politische Zukunft ungewiss sind. Saleh bedient sich einer Methode, die schon in Islamabad erprobt wurde: ich bin das Opfer von al-Qaida, bitte helft mir!
Kaum hatte Abdul Mutallab am 25.Dezember den Ermittlern verraten dass er in einem jemenitischen Terrorlager ausgebildet wurde, da zückte Washington das Scheckbuch und erhöhte die Finanzhilfe für Präsident Saleh. Wer an vorderster Front gegen al-Qaida kämpft, kann sich Amerikas Unterstützung sicher sein. Präsidenten in Zeiten des Antiterrorkrieges werden ungern ausgetauscht, lieber hält man sie, so undemokratisch und menschenverachtend sie auch sein mögen. Einzige Bedingung: sie müssen Bollwerke gegen den Islamismus sein. Dies allerdings, ist bei der Person Abdullah Ali Salehs zu bezweifeln.

Im Fall Pakistan brauchte Washington Jahre um sich selbst einzugestehen dass es kontraproduktiv ist den, undurchsichtigen Militärdiktator Musharraf (von seinen Gegnern "Busharraf" genannt) weiter mit aller Macht, mit Geld und Unterstützung zu halten.
Präsident Saleh ist zum neuen Lieblingsallierten des Westens im Nahen Osten mutiert. Dass er dabei wenig von Menschenrechten, Demokratie oder Korruptionsbekämpfung hält wird leicht übersehen.
Jemens Präsident soll die Waffen erheben gegen al-Qaida, soll sein Land unter staatliche Kontrolle bringen und südlich des Öl-Imperiums Saudi-Arabien keine neue Bastion Bin Ladens zulassen.

Was aber wenn Sanaa nur ein geschicktes Spiel spielt? Urplötzlich sei al-Qaida ein Erzfeind, ein fremdes Geschwür, gepflanzt in den Jemen durch die verfehlte Außenpolitik des Westens. In Wahrheit jedoch, verdankt Präsident Saleh al-Qaida überhaupt seine Stellung als Machthaber des Landes und ging schon vor langer Zeit eine sehr unheilige Allianz mit den Islamisten ein.

Ein Blick in die Geschichte: Im Mai 1990 wurden nach dem Ende des Kalten Krieges die ehemals getrennten Staaten Jemen und die kommunistische "Volksrepublik Süd-Jemen" wiedervereint. Dies geschah nicht ohne Protest der Marxisten, die weiterhin Autonomie forderten und bis heute ihren Widerstand gegen die Zentralregierung von Sanaa nicht aufgaben.
Damals schon völlig verarmt fiel der Jemen in einen blutigen Bürgerkrieg, der tausenden Menschen das Leben kostete und die Südspitze der Arabischen Halbinsel in ein politisches Chaos stürzte.

Saleh und all jene, die den Süden gewaltsam an den Rest des Landes binden wollten, brauchten Hilfe. Bezahlen konnten sie dafür allerdings nicht und das Interesse Truppen in den Jemen zu entsenden war im Westen nicht übermäßig vorhanden.
Es fand sich jedoch jemand der bereit war, gegen die gottlosen Kommunisten im Süden in den Krieg zu ziehen. Jemand der es als religiöse Pflicht empfand die Arabische Halbinsel, heiligen Boden, von Abtrünnigen, Un- und Andersgläubigen zu säubern: al-Qaida.

Osama Bin Laden hatte dem jemenitischen Präsidenten sehr früh schon seine multiethnische Truppe von Gotteskriegern angeboten. Sie würden aus Afghanistan in den Jemen ziehen und dort den Dschihad gegen die Kommunisten ausrufen. Saleh lehnte zunächst ab, als der Bürgerkrieg dann 1994 eskalierte, schleuste er die ersten Islamisten ins Land, begann Jemeniten für den Heiligen Krieg anzuwerben und auszubilden. Entscheidend war in jener Phase der Halbbruder des Präsidenten, General Ali Mohsen al Ahmar, heute Militärchef im Nordosten. Ahmar, ein langjähriger Sympathisant der salafistischen Ideologie, war in den 1980er Jahren beauftragt Jemeniten für den antisowjetischen Dschihad in Afghanistan zu rekruten und nach AFghanistan zu schicken. Mit großen Erfolg: keine andere ausländische Nationalität war derart häufig auf dem afghanischen Schlachtfeld vertreten wie die Jemeniten.

Unter General Ahmar zogen die Dschihadisten Bin Ladens schließlich in den jemenitischen Dschihad gegen die Feinde der Zentralregierung. Die todeswilligen Fanatiker wurden zu dschihadistischen Söldnern. Günstiger konnte Saleh die sozialistischen Gegnerschaft im Süd-Jemen nicht bekämpfen.
Als der Bürgerkrieg schließlich beendet wurde, Sanaa den Süden unterwarf und seitdem eine offiziell geeinte Nation regiert, verschwanden die Mudschaheddin nicht einfach. Viele blieben, heirateten in die jemenitischen Stämme, knüpften Kontakte, bauten Netzwerke auf.
Saudi-Arabien und die Besatzung des US-Zerstörers USS Cole waren die ersten Opfer dieser Entwicklung.

Durch einen politischen Schachzug hatte sich Präsident Saleh die Brandstifter ins eigene Haus geholt, wohl wissentlich dass al-Qaida ihn, einen Schiiten und Nationalisten, wohl kaum als Freund oder Gleichgesinnten betrachtet. Der Präsident bot den Islamisten Freiheiten, die sie besänftigten und einen Dschihad gegen seine Regierung verhinderten.
Nach 9/11 drohten die al-Qaida Zellen im Jemen erneut zu erwachen und in alle Richtungen aktiv zu werden. Der Terror richtete sich zunächst gegen Saudi-Arabien, die Gefahr des Sturzes des Regimes von Sanaa aber blieb. Zuviele Islamisten befanden sich im Land, hatten Koranschulen gegründet und sie zu Kasernen für ihre jemenitischen Rekruten gemacht.

Den schiitischen Rebellen des Nordens verdankte es der Präsident, dass al-Qaida erneut missbraucht werden und so zumindest zeitweise gezähmt werden konnte. Inoffiziell soll der Deal folgendermaßen ausgesehen haben: Rückzugsorte, Trainingsstätten und Schutz vor den amerikanischen Terrorjägern als Gegenleistung für die Beteiligung am Kampf gegen die Houthi-Rebellion.

Al-Qaida willigte im Jahr 2004 zunächst ein und schickte Kämpfer an die Seite der Regierungstruppen in den Nordosten. Wieder hatten Sanaa und Bin Ladens Jünger einen gemeinsamen Todfeind gefunden: die Schiiten.
Für Sanaa ist es ein politischer Krieg gegen eine iranisch-unterstützte Rebellentruppe, al-Qaida jedoch konnte man es wieder als religiöse Pflicht, als Dschihad gegen eine abtrünnige Sekte, verkaufen.

Zweimal also benutzte der aktuelle Präsident des Jemen, die Islamisten für seine Zwecke, missbrauchte sie und ihren Kampfeifer im Glauben man könnte die Extremisten bändigen oder im Zaum halten. Hier und da ließ Saleh sogar durchblicken dass er die Zügel in der Hand hält, ließ hunderte Islamisten in seine Kerker werfen und in Razzien festnehmen.
Letztendlich aber blieb die Allianz bestehen. Absprachen zwischen ihm und Ayman al Zawahiri soll es gegeben haben. Terrorlager sollen mit Wissen und Finanzierung Salehs entstanden sein, alles um einen folgenschweren Pakt zu besiegeln.

Al-Qaida nahm jedesmal dankend an. Ihnen war klar, dass Saleh durch sein politisches Schachspiel in Wahrheit mit dem Teufel ins Bett ging. Wo al-Qaida einmal ist, verschwindet dieses Virus nicht. Es wächst durch Prediger wie Anwar al Awlaki und den "Roten Sheikh" al-Zidani, und lebt von den politischen Konflikten, den ungelösten sozialen Problemen und vor allem von all jenen Fehlern seiner Gegner, die jetzt gerade wieder begangen werden.

Ein Despot spielt im Jemen mit dem Feuer. Aufgebracht durch das gescheiterte Attentat von Detroit weiß er die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft hinter sich. Saudi-Arabien zerquetscht, zerbombt und erstickt die Houthi-Rebellion mittlerweile sogar bei Inkaufnahme eigener, hoher Verluste. Staatsmänner aus Europa und Militärs aus aller Welt gehen nun in Sanaa ein und aus, pumpen Geld ins Land und Stützen einen Mann, der sich in den vergangenen Jahren hervorgetan hat, vor allem durch seine verantwortungslose, undurchsichtige Antiterror-Politik.

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