Saturday, March 7, 2009

Warum der Jemen mit dem Feuer spielt


Bis jetzt kann niemand bestätigen ob die Meldung korrekt ist: Al Qaida und die jemenitische Regierung haben einen einjährigen Waffenstillstand vereinbart, nur kurz nachdem die Machthaber in Sanaa ein Angebot des US Militärs zum gemeinsamen Kampf gegen Al Qaida abgelehnt hatte. Islamistenführer al Wahayshi willigte ein die Waffen im Jemen schweigen zu lassen, falls im Gegenzug 250 inhaftierte Islamisten freikommen. Präsident Ali Abdullah Saleh spielt ein gefährliches Spiel und droht, wie schon so viele vor ihm, seine Naivität mit einem hohen Preis bezahlen zu müssen. Auf der arabischen Halbinsel organisiert sich Al Qaida, entwickelt neue Stärke und bedroht eine ökonomisch höchst instabile Region.



Karg und felsig erstreckt sich zwischen schier endloser Wüste im Norden und der Küsten im Süden eine bergige Hochebene, durchzogen von fruchtbaren Tälern. Wie kleine Juwelen wirken die in diesem Gebiet verstreuten Oasen, in denen die bunten Blüten verschiedenster Sträucher und Büsche erstrahlen und die durch ihre Farbenpracht das Bild des öden Umfeldes brechen.

Weihrauch wächst ihr in so guter Qualität und Menge wie an kaum einem anderen Ort der Welt, trotzdem gehört dieser Teil der arabischen Weltinsel zu den ärmsten Regionen überhaupt. Datteln, Weihrauch, Kaffee, Tabak und Weizen werden hier von der strengreligiösen Bevölkerung angebaut, überleben können die meist Bauern und Beduinen aber nur durch Nahrungsmittelimporte.

Hadramaut heißt diese Wüstenregion im Südosten des Jemen, in denen die Frauen von Kopf bis Fuß in eine tiefschwarze Tracht, bei der nur ein Sehschlitz freibleibt, gekleidet sind und die Männer stolz ihre reich verzierten Dolche im Gürtel zur Schau tragen. Weder für Touristen oder die internationalen Konzerne noch für die Vertreter westlicher Medien spielt der Zipfel der arabischen Halbinsel eine Rolle. Dabei stammt einer der bekanntesten Väter der Welt aus einem kleinen Ort im Hadramaut. Mohammed Bin Awad Bin Laden kam hier irgendwann im Jahre 1908 als Sohn einer armen jemenitischen Großfamilie zur Welt, wanderte aber bereits vor dem Ersten Weltkrieg ins nördliche Saudi-Arabien aus und begründete hier nach seinem Einstieg in die Geschäftswelt die milliardenschwere Dynastie des Bin Laden Klans, dessen bekanntester Sprössling, Osama Bin Laden, heute der meistgesuchte Mann der Welt ist.

Alleine aus dieser Tatsache einen Bezug zum Terrorpotential der Region abzuleiten wäre sehr weit gesponnen. Fakt ist jedoch dass der Jemen eine uralte Tradition des ultraorthodoxen Islam besitzt und die Geburtsstätte vieler heute bekannter Al Qaida Extremisten ist und ganz oben auf der Liste der Staaten steht in denen die Organisation Unterschlupf und sogar Unterstützung findet. Mindestens 1800 Jemeniten reisten seit 2003 in den Irak und kämpften gegen Besatzungstruppen, ähnlich viele machten ihren Weg an den Hindukusch.

Lange schon ist den amerikanischen Geheimdiensten bekannt welche Gefahr von jemenitischen Al Qaida Mitgliedern und dem kleinen arabischen Terrorhort ausgeht. Natürlich schlug sich die Regierung von Präsident Ali Abdullah Saleh im Zuge des nach 9/11 ausgerufenen Anti-Terrorkampfes, offiziell auf die Seite der Bush-Administration und schwor alle Elemente des Terrornetzwerks im eigenen Land ausfindig zu machen und auszuschalten. Hinter diesen Versprechungen steckte kaum mehr als ein halbherziger Versuch nicht im Fadenkreuz des Pentagon zu landen.

Al Qaida verfügte schon vor dem 11.September 2001 über eine beachtliche Basis im Jemen, kooperierte mehr als nur gelegentlich mit der Regierung von Sanaa und infiltrierte Geheimdienst und Militär genauso wie lokale Moscheen, diese Situation hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Im Jemen befindet sich der militante Islam dank einer absurden politischen Agenda der Regierung auf einem Vormarsch der in Zukunft einige Schlagzeilen produzieren dürfte.

Das nördlich gelegene Saudi Arabien verstärkte besonders nach den Terrorangriffen auf die Ölindustrie des Königreichs im Jahr 2003 und 2004 den Kampf gegen die Extremisten. Tausende Al Qaida Anhänger und Unterstützer konnten verhaftet werden, viele landeten im Gefangenenlager Guantanamo, etliche jedoch flüchteten über die südliche Grenze in den benachbarten Jemen. Über die Jahre stellten die Insassen aus Saudi-Arabien und dem Jemen die Mehrheit der Guantanamo-Häftlinge. Dabei ist für Islamisten ihrer Identität nicht von der geographischen Grenze der Staaten abhängig. Die gesamte arabische Halbinsel („Jazeera tul-Arab“) wird als ein Territorium betrachtet vom dem aus der Islam seinen Siegeszug in die Welt antrat, und das heute besetzt wird von ausländischen Mächten, modernen Kreuzrittern aus Amerika.

Der Jemen hat eine lange Tradition des islamistischen Terrorismus, mehrfach verübten radikale Fundamentalisten hier Anschläge auf westliche, hauptsächlich amerikanische Ziele, zuerst 1992, als bei einem Anschlag auf einen Hotelkomplex in Aden gezielt amerikanische Staatsbürger ins Visier der Terroristen gerieten. Neben zahlreichen Entführungen und kleinen Angriffen wurde in erster Linie der spektakuläre Selbstmordanschlag auf das US-Kampfschiff USS Cole im Hafen von Aden international bekannt.

Am 12.Oktober 2000 steuerte ein Duo Al Qaida Attentäter ein kleines mit Sprengstoff beladenes Boot in den US Navy Zerstörer. Eine gewaltige Explosion riss ein Loch in die Seitenwand des Schiffs und tötete 17 amerikanische Soldaten.

Noch vor den Attentaten in den USA 2001 fiel der Jemen den ausländischen Geheimdiensten erstmals ins Auge weil Al Qaida dort anscheinend offen rekrutieren, planen und aktiv sein konnte.

Was sich heute, über sieben Jahre nach Beginn des Krieges gegen den weltweiten Islamismus, auf jemenitischem Territorium abspielt ist ein erschreckendes Beispiel für das Versagen einer globalen Politstrategie die an Machtverhältnissen, Einzelpersonen und lokalen Gegebenheiten scheitert.

Durch die Vereinigung vom Norden und der damals sozialistischen Volksrepublik Südjemen im Mai 1990 entstand die heutige Islamische Republik Jemen, deren Fläche ungefähr eineinhalbmal so groß ist wie die der Bundesrepublik Deutschland, aber mit nur 22 Millionen Einwohnern nur mäßig besiedelt ist. Jahr für Jahr erscheint der Jemen auf der Liste der Länder in denen eine überdurchschnittliche hohe Militarisierung der Gesellschaft zu verzeichnen ist. Stimmen die statistischen Schätzungen so besitzt jeder Jemenit durchschnittlich mehr als eine Schusswaffe. Gründe für diese Waffenseuche finden sich sowohl in der Geschichte des Staates wie auch in der Mentalität und Tradition der Jemeniten. Religiös ist der Jemen mehrheitlich sunnitisch-arabisch geprägt, die Einfluss verschiedener afrikanischer und arabischer Kulturen ist aufgrund der langen Seefahrer- und Handelstradition überall zu spüren. Politisch besonders brisant ist der Konflikt zwischen den 75% Sunniten und den 20% Schiiten des Landes. Jemens Schiiten gehören der Konfession der Zaiditen an, einer sehr kleinen Abspaltung der so genannten „Zwölfer Schiiten“, die gesamtislamisch die größte Gruppe unter den Nicht-Sunniten darstellen und als Machthaber im Iran dominierende Glaubensrichtung sind. Anders als die iranischen und bahrainischen Schiiten handelt es sich bei den Zaiditen nicht um persisch beeinflusste Gläubige sondern um eine rein-arabische Sekte die nur noch im Norden des Jemen zu finden ist und dort durch einige Stämme und Großfamilien repräsentiert wird. Ähnlich wie im wahhabitischen Nachbarstaat Saudi-Arabien stellt auch der Jemen den „Abfall vom Islam“ unter Todesstrafe. Der schiitischen Glaubensrichung anzugehören fällt dabei offiziell nicht unter diesen Tatbestand, wird aber inoffiziell von Regierung und Bevölkerungsmehrheit mit Argwohn betrachtet. Die Regierung unter Präsident Ali Abdullah Saleh sieht in den zaiditischen Stämmen, vor allem im Klan des Houthi-Stammes einen Feind des Staates den es zu bekämpfen gilt. Angehörige der Houthi probten bereits mehrfach, angestachelt durch ihre teilweise extrem fanatischen Stammesführer und Imame, den Aufstand gegen die Regierung von Sanaa. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit dem Militär in den Bergregionen nördlich der Hauptstadt. Dieses lästige Übel konnte weder diplomatisch noch militärisch erfolgreich bekämpft werden was Präsident Saleh nun anscheinend dazu veranlasst hat, die oppositionellen Elemente der Zaiditen im Zuge eines Glaubenskrieges auszuschalten.

Seit Monaten entwickelt sich im Jemen ein politischer Konflikt von dem westliche Medien wenig mitzubekommen scheinen. Wie arabische Zeitungen vor kurzem berichteten habe es angeblich Ende Januar ein Treffen zwischen Regierungsvertretern und islamistischen Gruppierungen in der Hauptstadt gegeben, bei dem ein folgenreicher Pakt geschlossen wurde. Nach Angaben einiger Quellen habe Präsident Saleh einem Vertreter der Al Qaida nahen Islamisten, Tariq al Fahdli, erläutert man sei an einer Einheit des Staates interessiert die ohne politische und religiöse Opposition zustande kommen soll. Als Feinde des Jemen nannte er wohl ausdrücklich die zaiditischen Rebellen im Land, sowie verbliebene, kommunistische Gruppen aus dem ehemaligen Süd-Jemen.

Von Seiten Sanaas hatte man wohl im Jahr 2007 Kontakt zur Al Qaida Führung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet aufgenommen, ein direkter Briefwechsel zwischen dem jemenitischen Präsident und Ayman al Zawahiri sei dabei erfolgt. Es gehe prinzipiell darum dass eine paramilitärische Einheit aus islamistischen Kämpfern aufgebaut werden soll die ethnische und ideologische Minderheiten bekämpfen solle. Im Gegenzug erhalten die Mujaheddin Trainingsmöglichkeiten und Ausbildungsstätten sowie staatliche Unterstützung in Form von Logistik und Material.

Schon kurz nach dem Krieg gegen die Sowjets bot Osama Bin Laden der nordjemenitischen Regierung, damals bereits geführt von Ali Abdullah Saleh, Unterstützung im Kampf gegen den kommunistischen, gottlosen Süden an. Eingesetzt wurden die Al Qaida Mujaheddin dann aber erst später, im Bürgerkrieg der ab 1994 wütete.

Gut 20 Jahre später nun soll die jemenitische Regierung selbst Al Qaida um Hilfe gebeten haben. Der Deal kam zustande, Tariq al Fahdli, Al Qaida Sympathisant und Mitverantwortlicher der ersten islamistischen Anschläge gegen westliche Einrichtungen Anfang der 1990er Jahre, willigte ein. Al Fahdli ist nicht nur ein von der CIA gesuchte Terrorist sondern auch Schwager des jemenitischen Generals Ali Mohsen al Ahmar, der wiederum ein Halbbruder des Präsidenten ist. Unter seiner Führung kämpften in den 1990er Jahren arabische Islamisten im jemenitischen Bürgerkrieg, und dann 2004-2006 gegen die schiitischen Aufständischen.

Ein Treffen im Jahr 2006 zwischen Geheimdienstmitarbeitern und dem Al Qaida Mann Rashad Mohammed Said, der immer wieder in Videos an Bin Ladens Seite zu sehen war und zum inneren Kreis des Netzwerkes gehört, führte dazu dass erste Kontakte zur Führung Al Qaidas geknüpft werden konnten.

Lange dauerte es nicht, dann folgten auf dem im Januar 2009 geschlossenen Pakt zwischen Islamisten und Regierung erste praktische Schritte. Internationale Nachrichtenagenturen zitierten am 08.Februar jemenitische Offizielle die berichteten man habe mindestens 95 Al Qaida Mitglieder aus ihrer Haft entlassen. Einige Quellen sprachen von bis zu 400 verurteilten Islamisten. Wenig später ließ die Regierung dies dementieren, was jedoch nichts an der Tatsache ändert dass seit Jahresbeginn feststeht: es existiert eine neue, starke Al Qaida Zelle im Jemen. Beweis dafür ist die Gründung der „Al Qaida fi Jazeera tul Arab“, einem Zusammenschluss der saudischen und jemenitischen Netzwerke die im Internet verkündet wurde.
Immer mehr Berichte dringen nun durch dass tatsächlich ein Aufbau einer islamistischen Miliz im Jemen stattfindet. Al Qaida habe 5 Millionen Jemenitische Rial verlangt für die Errichtung von Ausbildungslagern und Basen. Mittlerweile seien diese Camps in Betrieb und hunderte Mujaheddin trainieren dort wohl schon für eine Dschihad-Offensive gegen die innerstaatlichen Feinde der Regierung Saleh. Eines dieser Terrorlager befinde sich nördlich von Abyan, ein weiteres nur wenige Kilometer außerhalb von Aden, dort verfügen die Islamisten über eine eigene Moschee, eine Schule, Wohngebäude, Waffenlager und Bunkersysteme. Unterstützt von jemenitischen Militäreinheiten entstünden zudem kleinere improvisierte Camps in der Nähe großer Städte, in denen jugendliche Freiwillige trainiert würde die man mit Bussen beispielsweise aus ihren Vierteln in die Berge westlich von Sanaa bringe. Wie viele Islamisten derzeit militärisch geschult werden kann nicht gesagt werden, fest steht wohl dass unter ihnen hunderte ehemalige Gefängnisinsassen sowie heimgekehrte salafistischen Kämpfer aus dem Irak sind. Gerade jene Irak-Veteranen seien verantwortlich für die Ausbildung der Dschihad-Rekruten, für die Anwerbung und Indoktrinierung seien wahhabitische Prediger aus Saudi-Arabien zuständig.

Wie letztendlich diese Dschihad-Brigade zum Einsatz kommen wird und in wie weit die jemenitische Regierung in Kontrolle dieser fragwürdigen Partnerschaft ist absolut unklar. Eine gewisse Angst vor der teilweise militanten Opposition muss die Machthaber jedoch in den vergangenen Jahren überkommen haben, anders ist nicht zu erklären weshalb man sich auf diesen Pakt mit dem Teufel einlässt. Präsident Saleh muss naiv sein wenn er glaubt das von ihm derzeit herangezüchtete islamistische Monster kontrollieren oder steuern zu können. Al Qaida verfolgt eine eigene Strategie und lässt sich wohl kaum politisch in Machtkämpfe einbinden und missbrauchen. Am Ende des Dschihad sehen die Islamisten natürlich im Jemen auch jenes islamische Kalifat das sich nach ihrem Wunsch über den gesamten Globus erstrecken soll. Weit vor dem 11.September 2001 spielten jemenitische Extremisten eine zentrale Rolle beim Aufbau des Al Qaida Netzwerkes, sie waren die tatkräftigsten Anwerber und Schleußer von Freiwilligen in die afghanischen Lager und auch auf den Dschihad-Schlachtfeldern vom Kaukasus bis nach Indonesien tauchen immer weniger Jemeniten als entscheidende Al Qaida Funktionäre auf. So intensiv und häufig wie in kaum einem anderen arabischen Land findet man im Jemen eine Verstrickung zwischen den islamistischen Radikalen, dem Militär, Geheimdienst und sogar der Politik. Ali Mohsen al Ahmar ist nicht nur General in der Armee von Präsident Saleh, er war auch Bin Ladens Vertrauter und beauftragt Freiwillige für den anti-sowjetischen Dschihad nach Afghanistan bringen. Solche Beispiele finden sich reihenweise in den staatlichen Organen und sorgen für eine Verschmelzung oftmals auch familiärer Bande mit der Elite des globalen Islamismus. Nichtsdestotrotz musste in der Vergangenheit selbst die allgemein pro-islamische Regierung einige Angriffe der selbsternannten „Heiligen Krieger“ verkraften. Mit einer beängstigenden Regelmäßigkeit gelingt es den Al Qaida Zellen immer wieder ausländische Ziele, vor allem amerikanische Einrichtungen wie die Botschaft in Sanaa, aber eben auch jemenitische Soldaten zu treffen. Soll damit nur der Anschein erweckt werden von Seiten der Regierung sei man genauso Opfer des Terrors wie westliche Nicht-Muslime? Gestützt wird eine solche Theorie von Aussagen interviewter Islamisten, darunter der meistgesuchte Terrorist des Jemen, Hamza Ali Saleh al Dhayani, der unter anderem für das Selbstmordattentat auf die amerikanische Botschaft am 17.September 2008 verantwortlich sein, und auch jenen Selbstmordbomber trainiert haben soll, der im Juli 2007 acht spanische Touristen in Mareb tötete. Wo genau Al Dhayani in der Hierarchie Al Qaidas steht ist unbekannt, dass er eindeutig zur Führung der jemenitischen Islamisten-Netzwerke gehört streitet er selbst in einem im Dezember 2008 geführten Interview nicht ab. Weiter erklärt er es gebe eine direkte Zusammenarbeit zwischen Terrorzellen und des Geheimdienstes PSO. Die Regierung bilde einige Terroristen selbst aus oder lenke sie zumindest hin zu einer bestimmten Aktion die dann wiederum als Beweis dafür gewertet wird der Jemen beteilige sich aktiv am Anti-Terrorkampf und sei deshalb Zielscheibe Al Qaidas. Innerhalb der PSO (Political Security Organization) gebe es, so Al Dhayani, dutzende ehemalige Dschihad-Kämpfer, sogenannte „rehabilitierte Islamisten“ und Bin Laden Sympathisanten. Teile der islamistischen Gruppierungen seien so im Laufe der Jahre zu Söldnern der Regierung geworden und würden für ihre politischen Zwecke missbraucht. Der harte Kern der Al Qaida arbeitet weiterhin im Untergrund und dürfte einer Kooperation mit dem nationalen Geheimdienst skeptisch gegenüberstehen. Führende Köpfe des jemenitischen Al Qaida Flügels sind heute die beiden Ex-Häftlinge Nasir al Wahayshi alias Abu Basir und Jamal al Badawi, sie gehören beide der ersten Al Qaida Generation an.

Al Wahayshi kam erst im Jahr 2003 in den Jemen nachdem er in Afghanistan ein Kommandeur einer arabischen Al Qaida Einheit war und im Zuge eines Austauschprogramms mit dem Iran in seine Heimat zurückkehren konnte. Zunächst saß er, genau wie Al Badawi der für den Anschlag auf die USS Cole verantwortlich gemacht wird, im Gefängnis, aus dem beide dann 2006 fliehen konnten. In ihnen sieht Sanaa extrem gefährliche Staatsfeinde, die wohl kaum durch politische Angeboten gezähmt werden können. Ohne Zweifel zeigt sich Al Qaida unter Führung von Al Wahayshi in den letzten beiden Jahren so aktiv wie nie, kaum ein Monat vergeht ohne dass die US Botschaft Terrorwarnungen an Ausländer herausgibt, westliche Ziele angegriffen werden oder jemenitische Sicherheitskräfte Opfer von Dschihad-Attacken werden. Erste Vorzeichen für eine mögliche Verschärfung der Lage traten 2007 auf, als eine spanische Reisegruppe Opfer eines Selbstmordanschlags wurde, im Jahr darauf schickte Al Qaida einen Suizidbomber in ein Camp der staatlichen Sicherheitskräfte im Hadramaut.

Später veröffentlichte die Organisation erstmals nach irakischem Vorbild ein Foto des Attentäter Abu Dajana al Hadrami. Trotz dieser Häufung an terroristischen Aktivitäten scheinen weder die USA noch andere westliche Staaten großartig Interesse an der islamistischen Bedrohung zu haben die man fast schon kindlich naiv über Jahre gewähren ließ.

Jetzt mit ausländischen Fundamentalisten zu versuchen nationale Konflikte zu lösen könnte dem Präsidenten, der jüngst von Al Qaidas Vertreter im Jemen, Al Wahayshi als „Agent der CIA“ bezeichnet wurde, und dem ganzen Land teuer zu stehen kommen. Wie wenig sich die radikalen Dschihadis lenken lassen kann heute schon in Ja´ar beobachtet werden. Vor wenigen Wochen, so berichtete die nationale Zeitung Shabwah, riefen Angehörige der „Abyan Islamic Army“ ein islamisches Emirat in der Stadt Ja´ar, nordöstlich von Abyan, aus und erichteten Sharia-Gerichte. Folge dieser politischen Machtübernahme: neun Homosexuelle wurden öffentlich hingerichtet, wer Alkohol konsumiert oder verkauft wird ausgepeitscht. Überall im Land entstehen solche Flecken einer Taliban-Herrschaft an der Südspitze der arabischen Halbinsel, Regierung und örtliche Vertreter stehen dieser Entwicklung machtlos gegenüber.

Wer es wagt ganz offiziell Sharia-Gesetze abseits der staatlichen Organe einzuführen und damit zur ausführenden Gewalt zu werden muss sich mehr als nur sicher fühlen. Fatalerweise muss der Jemen nicht nur als Brutstätte für islamistischen Terror kategorisiert werden sondern als Trainingsbasis, Stützpunkt und Sprungbrett in die arabischen Anrainerstaaten.


Ein bitterarmes Land ohne Rohstoffe, eine strenggläubige Bevölkerung die einer permanenten Beeinflussung durch die unzähligen salafistischen Moscheen und Koranschulen ausgesetzt ist, eine beispiellose Zahl an Schusswaffen, eine de facto diktatorische Regierung deren Beziehungen zur islamistischen Szene fragwürdig und mehr als offensichtlich sind, ein brodelnder Konflikt zwischen Sunniten und einer schiitischen Sekte, und all das in einer strategisch brisanten Lage an der Meerenge zwischen dem afrikanischen Kontinent und der arabischen Halbinsel. Das paradoxe politische Spiel des Ali Abdullah Saleh wird in der kommenden Zeit zu einem Spiel mit dem Feuer. Stabile Verhältnisse am Nadelöhr zum welt-ökonomisch absolut unentbehrlichen Suez-Kanal liegen im höchsten Interesse Europas und der Golfstaaten. Jünst reiste ein ranghoher Militär nach Sanaa und schlug vor gemeinsam mit dem jemenitischen Geheimdienst eine Strategie gegen Al Qaida auszuarbeiten. Es hieß man habe vorgeschlagen ähnlich wie in Pakistan durch Einsätze von Drohnen und Kampfflugzeugen islamistische Nester in den Regionen Mareb und Shabwa auszuschalten. Jemens Regierung lehnte dankend mit dem Hinweis ab man wolle keine ausländische Hilfe im Kampf gegen inländische Feinde. Dies macht deutlich dass man sich sehr wohl im Klaren ist wer hier als Feind definiert werden muss.

Al Qaida hat im Jemen nicht nur einen Fuß in der Tür, sondern sie liegt längst schon im Bett mit einer reichlich naiven und verantwortungslosen Regierung, deren Unterstützung durch die westliche Welt überdacht werden sollte.

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