In einer Region in der ein neuer Tag Krieg bedeuten kann bekommt der Wert eines Lebens eine völlig andere Bedeutung. Israel stellt sich zurzeit die Frage weshalb die Politik nicht das Leben eines jungen Soldaten, eines Staatsdieners in Militäruniform, gegen 1,000 Palästinenser eintauscht. Diesen Preis ist die israelische Bevölkerung bereit zu zahlen um den verlorenen Sohn Gilad Shalit nach Hause zu holen, der vor 1,000 Tagen von der Hamas im Gazastreifen entführt wurde und seitdem Spielball und Faustpfand der Politik. Freiheit für einen israelischen Soldaten bedeutet vielleicht bald schon die Freiheit für hunderte, vielleicht tausend palästinensische Terroristen. Hier endet rationale Politik, hier endet interessengesteuerte Diplomatie, kommen Prinzipien zum erliegen. Niemand will Henker sein, ein Volk ist vereint in einem gemeinsamen Appell an Menschlichkeit und Vernunft.
Es geschah früh morgens, die Sonne war noch kaum zu erahnen, die Umgebung wirkte in den frühen Stunden ruhig und friedlich. Sie kamen durch einen selbst gegrabenen Tunnel, kaum schmal genug um sich durch ihn kriechend zu zwängen. Wie viele Angreifer es waren kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, aber sie waren schwer bewaffnet und hatten eine klare Mission: Kidnapping. Mehrere maskierte militante Palästinenser gelangten an jenem Morgen des 25.Juni 2006 vom südlichen Gaza-Streifen aus durch einen unterirdischen Gang auf die israelische Seite des Grenzzauns, nach Kerem Shalom, einem Grenzübergang direkt an der israelisch-ägyptischen Grenze.
Auf der anderen Seite waren israelische Soldaten in einem Außenposten stationiert. Sie ahnten nichts von der Gefahr, hatten keine Hinweise auf bevorstehende Anschläge erhalten und wähnten sich auf ihrem Terrain sicher. Einer der jungen Männer die an diesem Morgen ihren Dienst für die Israeli Defense Force taten war Gilad Shalit, damals 19 Jahre alt und frisch beim Militär, ein unerfahrener Soldat der sich ein Jahr zuvor freiwillig einer Kampfeinheit angeschlossen hatte um dem Beispiel seines älteren Bruder zu folgen der ebenfalls in der israelischen Armee diente.
Den palästinensischen Angreifer gelang es die Soldaten aus dem Hinterhalt anzugreifen, das Überraschungsmoment war auf ihrer Seite. Es kam zu einem Feuergefecht zwischen IDF Soldaten und Terroristen bei dem zwei Palästinenser und zwei Israelis ihr Leben ließen. Gilad Shalit erlitt Verletzungen am Rücken und brach sich die linke Hand. Als verwundeter war er für das palästinensische Terrorkommando ein leichtes Opfer die ihn nicht töten sondern lebend kidnappen wollten. Sie schleppten den jungen Soldat durch den Tunnel aus dem sie gekommen waren in den Gazastreifen, verschwanden mit ihm im Häusermeer und Gassengewirr der Flüchtlingslager jenseits des Grenzzauns.
Seit jenem Tag vor drei Jahren beschäftigt der Fall des entführten Armeeangehörigen nicht nur Israel sondern beeinflusst den gesamten Nahostkonflikt und zieht sogar weltweite diplomatische Kreise. Heute genau vor 1000.Tagen wurde Gilad Shalit Geisel der Hamas, seitdem wird um sein Schicksal verhandelt, Politiker bemühen sich um seine Freilassung, seine Familie kämpft entschlossen für seine Rückkehr.
Ganz Israel kennt das Gesicht des Entführten inzwischen, viele kennen seine Lebensgeschichte, wissen um den Schmerz seiner Eltern und das Versprechen der israelischen Armee keinen ihrer Soldaten jemals zurückzulassen, tot oder lebendig. Das letzte Mal geriet 1994 ein israelischer Soldat in die Gewalt palästinensischer Entführer, damals starb die Geisel beim Versuch der israelischen Armee ihn aus den Händen der Hamas zu befreien.
Bis jetzt hat Israel keinen Befreiungsversuch unternommen, kein Lösegeld ist geflossen, keine Forderung wurde erfüllt. Am Tag nach der Entführung bekannte sich die Hamas zusammen mit dem Popular Resistance Committee und der Jaish al Islam zu der Aktion und erklärte man habe erfolgreich einen zionistischen Soldat entführt der gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen ausgetauscht würde. Frauen und Minderjährige wolle man mit der Geiselnahme freipressen. Vorbild für diese Form der terroristischen Kriegsführung fand die Hamas eindeutig im Libanon. Vielfach versuchte Hisbollah in der Vergangenheit israelische Soldaten lebend zu entführen, ihr gelang es sogar Körperteile getöteter IDF Mitglieder gegen inhaftierte Hisbollah-Kämpfer auszutauschen. Nun versucht Hamas sich den Kodex der israelischen Armee zu nutze zu machen. Immer wieder beschwören die Kommandeure der IDF dass kein Soldat der auf dem Schlachtfeld getötet oder verwundet wird jemals im Stich gelassen werden kann, koste es was es wolle. Im Jahr 2004 war dem israelischen Staat eine Rückgabe von drei Soldaten-Leichnamen durch Hisbollah die Freilassung von insgesamt 450 palästinensischen und libanesischen Gefangenen wert. Ähnliches erhofft sich seit 2006 die Hamas.
Erste Reaktionen auf die Entführer Shalits bekam die radikalislamische Palästinenserbewegung schon drei Tage nach dem Überfall zu spüren. Mit der Operation „Sommerregen“ hofften die israelischen Militärs die Geisel so schnell wie möglich aus den Händen der Islamisten zu befreien. Luftschläge auf Einrichtungen der Hamas und die Infrastruktur in Gaza ebneten den Weg für eine Bodenoffensive in deren Verlauf Gilad Shalit jedoch nicht aufgespürt werden konnte. Für die Regierung Israels stand fest dass der Befehl für die Entführung israelischer Armeeangehöriger nicht von der Hamas-Führung in Gaza sondern von der ausländischen Exil-Leitung der Organisation in Damaskus kam. Hamasführer Khalid Mashaal habe, so hieß es aus israelischen Quellen, den bewaffneten Flügel in Gaza dazu aufgefordert nach Hisbollah-Vorbild Soldaten zu verwunden und danach lebend zu kidnappen. Wie Todesengel flogen deshalb am 28.Juni 2006 vier israelische F-16 Kampfjets über den Wohnsitz von Syriens Präsident Bashar al Assad. Israel warnte damit direkt den syrischen Herrscher davor weiterhin Terroristen zu unterstützen. Weiter sollte diese symbolische Aktion natürlich auch die Auslandsführung der Hamas einschüchtern und klar machen dass man auch bereit ist außerhalb der palästinensischen Gebiete zuzuschlagen.
Ägypten, als direkter Nachbar zum Gaza-Streifen schickte währenddessen 2,500 Polizisten an die Grenze um eine Verschleppung Gilad Shalits in den Sinai zu verhindern. Verhaftungen von palästinensischen Offiziellen, Bombardierung von Hamas-Infrastruktur, Tötung von gesuchten Terroristen, Druck auf die Palästinenserregierung von Mahmud Abbas, all das brachte den entführten Soldaten nicht zurück, Israel musste die Militäroperation beenden in der Einsicht dass nun wohl doch die Waffen schweigen und die Diplomatie einsetzen müsse.
Hamas war es gelungen während der gesamten Phase israelischer Angriffe und Razzien im Gaza-Streifen ihre Geisel zu verbergen. Zunächst hieß es Shalit werde in Rafah festgehalten, wenig später kamen Meldungen er sei von einem palästinensischen Arzt in Gaza-Stadt aufgrund seiner gebrochenen Hand behandelt worden.
Es folgte eine Zeit der Ungewissheit, der politischen Verhandlungen und der Geheimdienste.
Im westlichen Galiäa, im kleinen Siedlung Mitzpe Hila nahe der libanesischen Grenze, wartet Familie Shalit nun seit Jahren auf die Rückkehr ihres Sohnes. Hier wuchs Gilad auf, weit weg von den großen israelischen Städten, in einer Region in der man die Spannungen des Nahostkonflikts immer wieder hautnah erlebte. Sein älterer Bruder Yoel trat ebenfalls mit 18 der israelischen Armee bei und diente in einer kämpfenden Einheit in den Palästinensergebieten, Gilad trat in seine Fußstapfen, unterstützt von den Eltern und der jüngeren Schwester. Da sein Vater Noam Shalit mit der Großmutter aus Frankreich nach Israel immigrierte besitzt Gilad neben der israelischen auch eine französische Staatsbürgerschaft. Frankreichs Präsident Sarkozy ist deshalb höchst engagiert an der Freilassung des Verschleppten mitzuwirken. Inzwischen wurde der entführte Israeli sogar zum Ehrenbürger von Paris und Rom ernannt, die internationale Diplomatie bemüht sich mit größtem Einsatz für seine Rückkehr, bisher ohne Erfolg.
Wieder und wieder starteten verschiedene Seiten des Konflikts Gesprächsversuche, ägyptische, französische, britische, deutsche und jordanische Mittelsmänner versuchten zwischen der israelischen Regierung und der Hamas zu vermitteln. Monate nach seinem Verschwinden tauchte dann das erste Lebenszeichen auf, Indiz dafür dass Shalit die israelischen Militäraktionen in Gaza im Juni und Juli 2006 unbeschadet überstanden hat. Ägyptische Unterhändler übergaben der Familie des Entführen einen handgeschriebenen Brief, im Oktober dann soll es erstmals zu konkreten Verhandlungen gekommen sein die aber schnell scheiterten.
Aus Syrien kam dann von Hamas Führer Mashaal im November 2006 die Nachricht der israelischen Geisel gehe es gut, Gilad Shalit sei gesund und werde gut behandelt. Nur wenig später bot Hamas an ein Video an Israel zu übergeben wenn der jüdische Staat im Gegenzug alle palästinensischen Frauen und Minderjährigen aus den Gefängnissen entließe. Sowohl die Regierung als auch Gilads Vater lehnten dieses Angebot ab. „Ich möchte meinen Sohn wieder haben, nicht irgendein Video von ihm oder einen Brief“, so Noam Shalit im Januar 2007.
Monate vergingen ohne große Ergebnisse, dann meldete eine israelische Zeitung im März 2007 Hamas und Jerusalem seien sich einig über die Konditionen einer Freilassung, es gehe bei den Verhandlungen nur noch um einige wenige palästinensische Häftlinge deren Übergabe Hamas verlange. Eine Liste mit 1,300 Namen sei über Ägypten an die israelische Seite übergeben worden hieß es im April 2007, diese Inhaftierten wolle Hamas gegen Shalit austauschen. Israels politische Führung lehnte diese Forderung wohl ab, jedenfalls wurden die Gespräche kurze Zeit später auf Eis gelegt, wohl auch weil sich auf der Namensliste einige hochrangige Terroristen und mehrfache Mörder befanden die Israel unter keinen Umständen auf freien Fuß setzen wollte.
Zwei weitere Briefe schrieb Shalit im Jahr 2008 an seine Familie, Ex US-Präsident Jimmy Carter reiste in den Nahen Osten, traf den Vater des Entführten und versprach sich für ihn einzusetzen als er nach Damaskus reiste und die dortigen Hamas-Vertreter zum Gespräch lud. Wenig ergebnisreich verkündete Hamas am 12.August 2008 man werde die Verhandlungen über das Schicksal der Geisel so lange nicht fortführen bis Israel die Blockade des Gaza-Streifens aufhebe. Der Sicherheitsrat der UN schlug auf seiner Tagung eine Woche später vor Gilad Shalit für die Begnadigung von 200 palästinensischen Häftlingen freizulassen. Von Seiten der Hamas kam eine klare Absage, denn die 200 zu entlassenen Palästinenser waren überwiegend Anhänger der Fatah und somit würden die internen Kämpfe der palästinensischen Fraktionen nur verstärkt.
Über all die Jahre hat sich in Israel selbst eine Gruppe von Aktivisten zusammengetan die Druck auf die Politik ausüben möchte. Mit Anzeigen in Zeitungen, Auftritten in den Medien und Demonstrationen vor Regierungsgebäuden wollen die Anhänger der „Free Gilad Shalit“ Bewegung auf das Schicksal des inzwischen 22jährigen Israeli aufmerksam machen. Durch Fotos und ständige Appelle an die Politik bleibt Gilad Shalit im Gedächtnis der Israelis und ist sogar ein bestimmendes Thema der Innenpolitik geworden. Kaum ein Politik der nicht verspricht der Entführte müsse nach Hause zurückkehren selbst wenn dadurch Zugeständnisse an Terroristen nötig seien.
Fatalerweise musste Shalits Familie Ende 2008 erleben wie Israel mit seiner Operation „Gegossenes Blei“ einen noch nie zuvor erlebten Bomben- und Raketenregen über dem Gaza-Streifen niedergehen ließ. Die massiven Luftschläge forderten hunderte Tote am Boden, zerstörten unzählige Gebäude, Straßen, Tunnel, Waffenlager und Werkstätten der Hamas. Israels Armeeführung konnte noch so oft beteuern man habe die Ziele sorgfältig ausgewählt und gehe mit bis dahin ungeahnter Präzision gegen die terroristische Infrastruktur vor, die Gefahr bestand dass möglicherweise Gilad Shalit durch israelisches Feuer verletzt oder getötet wurde. Hunderte Ziele griff die IDF in den Wochen bis Ende Januar 2009 an, vom südlichen Gaza-Streifen bis in das nördliche Khan Younis. Wo genau Hamas den Israeli gefangen hielt ließ sich nur erahnen, vielleicht wussten die Quellen des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet genaueres über den Aufenthaltsort, alles andere wäre ein gefährliches Spiel mit dem Leben der Geisel gewesen.
Der Vize-Chef des Politibüros der Hamas Abu Marzuk sagte am 11.Januar 2009 der Londoner Zeitung Al Hayat Shalit sei eventuell verwundet worden, oder auch nicht. Es spiele keine Rolle mehr wie es ihm gehe, man habe kein Interesse mehr darin ihn gut zu behandeln denn er sei nicht mehr wert als eine Katze oder sogar weniger. Bei dieser Aussage spielte natürlich die Wut angesichts der über 1,400 palästinensischen Opfer der Militäroperation eine große Rolle, denn Hamas weiß sehr genau welchen Wert der gefangene Israeli hat. 1,000 Palästinenser sei man bereit für Gilad Shalit auszutauschen, bot Israel am 26.Januar 2009 an. Die für Hamas äußerst schmerzliche Operation „Gegossenes Blei“ hat sicherlich dazu beigetragen die palästinensische Organisation an den Verhandlungstisch zu bomben. Unter dem Druck des Militärs, der tagtäglichen Verluste und der sich abzeichnenden Hilflosigkeit gegenüber den israelischen Angriffen würde sich Hamas zu weitaus geringeren Konditionen auf einen Deal einlassen, soweit die Hoffnungen der Israelis. Dass nach den Waffen wieder die Diplomatie sprechen würde war klar, dass man sich über Gilad Shalit einig werden würde jedoch reine Utopie. Für die neue israelische Führung geht es jetzt nach dem Wahlkampf um neue Ansätze im Nahostkonflikt, erst jetzt kann man Verhandlungspartner wählen und ernsthafte Gespräche beginnen.
Hinter den Verhängen dürften diese bereits begonnen haben, immer wieder sickert nach außen es gebe ständig ein Thema bei dem sich beide Seiten nicht einigen können, die Frage der so genannten „hochkarätigen Häftlinge“, dabei handelt es sich meist um Terrorführer, Kommandeure bestimmter Hamas-Einheiten, Bombenbauer auf deren Konto dutzende tote Israelis gehen. Zudem inhaftierte Israeli im Laufe der letzten Jahre mehrfach palästinensische Politiker unter dem Verdacht der Terrorunterstützung, darunter viele Hamas-Funktionäre und Fatah-Offizielle. 450 dieser hochkarätigen Gefängnisinsassen möchte die Hamas nach Hause in den Gaza-Streifen und in die Westbank holen, nur ein Bruchteil der insgesamt 8,300 Palästinenser in israelischen Zellen. Ob Israel bereit ist diesen Preis für Gilad Shalit zu zahlen fragen sich dieser Tage viele Beobachter. Das Versprechen den jungen Soldaten heim zu bringen steht, die Forderungen der Hamas ändern sich zwar kreisen aber trotzdem immer wieder um diesen einen Punkt. Im Fall der Hisbollah war man nicht nur einmal bereit hunderte teilweise hochrangige Terroristen freizulassen nur um Körperteile getöteter IDF Soldaten wieder zu bekommen, anders verhält sich dies wenn die Verhandlungen mit dem direkten Nachbarn geführt werden und einer Gruppierung die anders als Hisbollah keine Gesetze des Krieges respektiert und sich kaum an offizielle Abmachungen hält.
Aus Sicht der palästinensischen Führung kann ein Gefangenenaustausch schwerwiegende Folgen haben. Etliche Personen auf der Wunschliste gehören zur Gruppe der ehemaligen Fatah-Mitglieder die zu Beginn der 2.Intifada einen radikaleren Kurs eingeschlagen haben als die Parteimehrheit. Der prominenteste Name dürfte Marwan Barghouti sein, der im Volksmund genannte „Vater der Intifada“. Israels Armee verhaftete den mittlerweile 49jährigen Hardliner im April 2002 in seinem Heimatort bei Ramallah. Im anschließenden Gerichtsverfahren wegen Beteiligung terroristischer Aktivitäten und Anklage wegen mehrfachen Mordes wurde er zu 40 Jahren Haft verurteilt. Barghouti gilt als Gründer und ranghöchster Führer der Al Aqsa-Brigaden, die als militärische Einheit der Fatah den nationalistischen Terror gegen Israel während der 2.Intifada intensivierte. Über die Jahre in Haft entfernte sich der ehemalige Vertraute Yassir Arafats mehr und mehr ideologisch von der Fatah und der PLO. Insider berichten er es mittlerweile zwar auf keinem Pro-Hamas-Kurs aber lehne dennoch die Politik von Mahmud Abbas ab. Wichtig bei der Diskussion um die Person Barghouti ist dass es sich bei ihm wohl um den bekanntesten und beliebtesten palästinensischen Politaktivisten in Israels Gewahrsam handelt. Sollte er frei kommen hat er gute Chancen aus den nächsten Wahlen als neuer palästinensischer Premier hervorzugehen. In der PLO hält sich die Freude über eine bevorstehende Freilassung Marwan Barghoutis in Grenzen, das „schwarze Schaf der Fatah-Familie“ könnte zur verhängnisvollen Konkurrenz für die Palästinenser-Regierung werden. Gerade Israel müsste besorgt sein dass eine neue Hardliner-Generation des patriotisch-palästinensischen Lagers nach Freilassung des charismatischen Führers Barghouti in der Westbank dominierende Kraft werden könnte.
Unabhängig davon unter welchen Konditionen ein Deal zu Stunde kommen wird stellt sich die Frage wie es der Hamas gelang über drei Jahre lang eine Person vor den israelischen Geheimdiensten, Aufklärungsflugzeugen, Drohnen, Spitzeln und Agenten zu verstecken. Vor zwei Jahren war zu erfahren dass zwar zwei weitere palästinensische Widerstandsgruppen an der Entführung beteiligt waren, der militante Flügel der Hamas, die Izzaddin al Qassam Brigaden allerdings diejenigen seien die Shalit in ihrer Gewalt haben. Dem straf organisierten militärischen Teil der Organisation scheint es gelungen zu sein einige Einheiten aufzubauen die exklusiv mit der Bewachung und Verwahrung der israelischen Geisel beauftragt sind. Im Gaza-Streifen, einem der dichtbesiedelsten Orte der Welt, einem Landstrich von der Größe Hessens, eine Nadel im Heuhaufen zu finden ist keine einfache Aufgabe, trotzdem für die allgegenwärtigen israelischen Geheimdienste kein Ding der Unmöglichkeit. Anscheinend verzweifeln diese an der Strategie der Hamas ihre wertvolle Beute ständig von einem Versteck zum anderen zu schaffen, keine Mobiltelefone und sonstige Elektronik in seiner Umgebung zu benutzen und den Kreis derer die den Aufenthaltsort kennen so klein wie möglich zu halten.
Hamas möchte so schnell wie möglich einen Gefangenenaustausch stattfinden lassen, dies lässt sich eindeutig an Aussagen und Reaktionen ihrer Vertreter ablesen. Lange wird man nicht mehr geheim halten können wo sich Gilad Shalit befindet und das ewige Geschacher um palästinensische Namenslisten dürfte langsam aber sicher zu Frustration führen denn die vorangegangenen Deals mit Hisbollah ließ Israel wesentlich zügiger über die Bühne gehen. Während Abu Marzuk, Vize von Exil-Führer Mashaal heute verlauten ließ man möchte so schnell wie möglich zu einem Ergebnis bei den Verhandlungen kommen, tönt sein ranghöherer Kampfgenosse sollte Israel sich nicht bereit erklären die Forderungen der Hamas zu erfüllen, werde man noch mehr Soldaten entführen.
Tagelang campen die Familie des Verschleppten und ihre Unterstützer nun vor dem Haus des israelischen Premiers Olmert in Jerusalem und verlangen eine finale Entscheidung von der Politik. Deren Gespräche mit Vertretern der Hamas in Kairo wurden diese Woche abgebrochen, weil man sich nicht sofort einigen konnte. Ehud Olmert entscheidet sich wohl nun eine Frist zu setzen bis zu der die neue israelische Regierung eine Unternehmung beschlossen haben soll. Solange muss sich die Familie Shalit noch gedulden, etwas was nach 1000.Tagen Geiselhaft noch zu verkraften wäre, gebe es denn auch nur das kleinste Anzeichen einer Bewegung, einen Hoffnungsfunken anstatt ständig nur negative Meldungen aus den dutzenden Verhandlungsrunden. Gilad Shalits Angehörige durchleben einen unvorstellbaren Albtraum der endlich zu einem guten Ende kommen muss. Zeit kann ein gefährlicher, tödlicher Gegner sein, das beweist das Schicksal von Ron Arad, dem israelischen Navigator der 1986 über dem Libanon mit seinem Kampfflugzeug abgeschossen wurde, sich mit dem Fallschirm retten konnte, dann aber von Hisbollah-Kämpfern verschleppt wurde und nicht mehr aufgetaucht ist. Briefe und Videoaufnahmen sind neben inzwischen freigetauschten Militäruniformen und Ausrüstung das einzige was die schiitische Miliz von ihrer ehemaligen Geisel übergeben kann. Arad sei, das behauptete Hisbollah im letzten Jahr, schon kurz nach seiner Entführung an iranische Geheimdienstler und Militärs übergeben worden die ihn über Syrien in den Iran gebracht hätten, dort verliert sich die Spur, wahrscheinlich verstarb die Geisel dort in Haft oder erlag erlittenen Verletzungen auf dem Weg dorthin.
Gleiches darf Israel im Fall Gilad Shalit nicht zulassen. Die ethische Kodex der IDF, so betonte es auch der Premierminister, kann nicht gebrochen werden, Israel lässt keinen Soldaten zurück.
Lehrreich dürfte der Ausgang dieser Entführung und des jahrelangen Martyriums wohl für die Palästinenser sein. Wieder einmal beweist Israel, dass jüdisches Leben mehr wert ist als arabisches, dass Prinzipien keine mehr sind wenn es um eigene Staatsbürger geht. Jerusalem wird einen hohen Preis zahlen um den verlorenen Sohn nach Hause zu holen, die terroristischen Feinde des Judenstaates haben längst ihre Lehren gezogen aus dieser Taktik.
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