Monday, August 17, 2009

Der Kaukasus brennt - Wiedergeburt des Terrors


Ein Selbstmordattentäter steuerte heute in den frühen Morgenstunde seinen mit Sprengstoff beladenen Kleinlaster durch das Tor der Polizeistation im inguschetischen Nazran. Neben dem Terroristen tötete die gewaltige Explosion mindestens 21 weitere Menschen.
Der islamistische Terror kehrt in den nördlichen Kaukasus zurück, bereits seit einem Jahr verschärft sich die Situation, der Moskau trotz jahrelangen Krieges und Anti-Terror-Aktionen nicht Herr werden konnte. Niemand möchte das Interesse auf das lästige Pulverfass Kaukasus lenken, dabei wächst im Schatten des Afghanistan-Krieges und der Gewalt in Nahost in den kaukasischen Wäldern ein Monster heran. Die menschliche Bombe wird seit einige Zeit wieder Waffe der Wahl für die tschetschenischen Extremisten.




Nur eine Woche nachdem die russische Regierung sämtliche Truppen nach fast zwei Jahrzehnten des Krieges aus Tschetschenien abzog und die Kontrolle über die Teilrepublik an das despotische Regime Kadyrov übergab, meldete sich Moskau´s Staatsfeind Nr.1, der kaukasische Islamistenführer Dokku Umarov, zu Wort. Am 25.April erklärte er in einer Videobotschaft die Situation des islamischen Widerstandes im Kaukasus sei in diesem Jahr "besser als 2006, 2007 und besser als 2008". Russlands Verbündete seine den Angriffen seiner Mujaheddin hilflos ausgeliefert, man habe die Kontrolle über verschiedene Distrike in Tschetschenien, Dagestan, Inguschetien und Kabardino-Balkarien übernommen und kämpfe weiter für eine Einführung der Sharia.
Der größte strategische Erfolg seiner Organisation, des 2006 gegründeten "Islamisches Emirat Kaukasus", sei es gewesen die "Riyad us Salihin Brigade unseres geliebten Bruders Shamil Basayev wiederbelebt zu haben".

Umarovs Nachricht ging im Medienstrudel unter, wirkt aber bis heute in fataler Weise nach.
Riyad us Salihin ist die Märtyrerbrigade, eine Einheit speziell trainiert um Selbstmordanschläge im Kaukasus und im russischen Kernland durchzuführen.
Gegründet hatte sie kurz nach Beginn des 2.Tschetschenienkrieges der legendäre Rebellenführer Shamil Basayev. Medienwirksam verübte dieses Suizidkommando mehrere große Angriffe gegen das verhasste Russland. Sowohl die Geiselnahme im Moskauer Theater 2002, als auch die Sprengung von zwei Passagierflugzeugen und Anschläge in Moskauer U-Bahnen 2006 waren das Werk von Riyad us Salihin. Im Kaukasus selbst verübten Attentäter der Brigade u.a. Anschläge auf den Regierungssitz der tschetschenischen Autonomieverwaltung im Dezember 2002, damals gab es 72 Tote und über 280 Verletzte. 52 Menschen starben im August 2003 als ein Mitglied der Riyad us Salihin einen Krankenhauskomplexx im russischen Territorium nahe Dagestan angriff und fast vollkommen zerstörte.

Bekannt wurden die selbstmörderischen Aktionen der tschetschenischen Dschihadisten im Westen primär durch den häufigen Einsatz von weiblichen Suizidbombern. Als "Schwarze Witwen" bezeichnet man die komplett verhüllten Attentäterinnen, die meisten von ihnen sind Witwen, Schwestern oder Töchter von getöteten tschetschenischen Partisanen und vom Wunsch nach Rache getrieben.

Als Shamil Bassayev 2006 bei der Explosion einer Sprengstoffladung ums Leben kam, verschwand mit dem charismatischen Führer des kaukasischen Widerstandes auch die gefürchtete Terroreinheit Riyad us Salihin. Ihre letzte große Aktion war bis dahin die Geiselnahme einer Schule im nordossetischen Beslan, bei deren Befreiungsaktion
Russland verstärkte die Anti-Terror-Einsätze, zusammen mit den Milizen der lokalen Machthaber jagte man die islamistischen Rebellen, konnte hochrangige Kommandeure töten und gefangen nehmen.
Es schien als bräche der Dschihad im Kaukasus in sich zusammen, die Terroristen flohen in das politisch instabile Dagestan. Die wenigen verbliebenen Kampftrupps in den tschetschenischen Wäldern, meist bestehend aus kaukasischen Islamisten unterstützt durch Türken, Tataren und Araber, verloren an Aufmerksamkeit in der islamischen Welt. Im Irak und in Afghanistan erschien der Dschihad lebendig und bekam die volle Aufmerksamkeit der großen Netzwerke wie Al Qaida. Tschetschenien war aus dem Blickfeld gerückt, die Zahl der getöteten russischen Soldaten nahm ab, die Rebellen verloren an Territorium und an finanzieller Unterstützung.

Die neue Terrorkampagne im Kaukasus, unter vermehrtem Einsatz von Selbstmordattentätern begann vor gut einem Jahr.Im August 2008 griff ein Attentäter im tschetschenischen Vedeno eine Militärbasis einer Einheit des Innenministeriums an. Zwei Monate später riss eine "Schwarze Witwe" in der nordossetische Hauptstadt Wladikavkas 11 Menschen mit in den Tod. Bis zu diesen beiden Anschlägen, die Islamistenführer Umarov als die ersten Aktionen der wiederbelebten Riyad us Salihin deklarierte, waren seit 2005 kaum Selbstmordanschläge im Kaukasus verzeichnet worden. "Jetzt sind viele unter den Mujaheddin, die sich der Riyad us Salihin anschließen und ihr Leben im Dschihad geben wollen", verkündete Dokku Umarov stolz. Das kommende Jahr werde ein "offensives" werden, in dem Anschläge überall in Russland und Kaukaus durchgeführt werden.

Das heutige Attentat in Inguschetiens Hauptstadt Nazran mit 22 Toten, ist nur das letzte von mindestens zehn Selbstmordattentaten die seit August 2008 den Kaukasus erschütterten. Im Mai versuchte ein tschetschenischer Terrorist in das Innenministerium Grosnys zu gelangen, sprengte sich schließlich vor dem Gebäude in die Luft. Inguschetiens Präsident Yunus-Bek Yevkurov überlebte am 22.Juni nur knapp als ein Attentäter eine Autobombe neben seinem Konvoi zündete.

Immer wieder übernahm Riyad us Salihin dieses Jahr in Internet-Statements die Verantwortung für die Terrorakte. Videos der Attentäter werden veröffentlicht, weitere Anschläge angekündigt, trotzdem scheint noch niemand realisiert zu haben dass im Kaukasus der Dschihad ein Rivival erlebt. Angespornt durch das Ende des russischen Tschetschenien-Einsatzes ist es das erklärte Ziel des unerbitterlichen Partisanenführers Umarov Russlands Marionetten-Politiker und ihre Regionalregime zu stürzen. Dafür weitet der Nachfolger von "Russland´s Osama Bin Laden Shamil Bassayev" den Kampf auf die Nachbarrepubliken Tschetscheniens aus. Riyad us Salihin soll heute weitestgehend von inguschetischen Kämpfer dominiert sein. Sie haben allen Moskau treuen Milizen, den Geheimdiensten und Regionalregierungen den Krieg erklärt. Russlands kompletter Rückzug aus dem ethnischen Pulverfass Kaukasus war aus Sicht der Islamisten ein Etappensieg zur Errichtung eines islamischen Emirates.

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