Sunday, June 21, 2009

Es ist Krieg im Reiche Mehsuds


Nach Bajaur kam Swat, darauf folgte Buner, nun stößt die pakistanische Armee in das Herzland des islamitischen Terrors, die Stammesgebiete an der afghanische Grenze, vor. Von den USA und den westlichen Verbündeten langer ersehnt begann gestern Pakistans Militäroffensive in Süd-Waziristan, einem der Rückzugsgebiete von Taliban und Al Qaida.


Mehr als 20,000 pakistanische Soldaten sollen nach tagelanger Vorarbeit der Luftwaffe und Artillerieeinheiten Stück für Stück der Unruhe-Provinz zurückerobern. Noch nie in der Geschichte des Landes waren die als FATA bekannten Stammesgebiete der paschtunischen und wazirischen Stämme und Klans unter der Kontrolle der Zentralregierung von Islamabad. Taliban-Fürsten regieren hier ungehindert, verdienen Millionen mit dem Schmuggel über die afghanische Grenze und Beherbergen nicht nur tausende eigene Kämpfer sondern in ihren Trainingslagern findet auch die Ausbildung ausländischer Terroristen der Al Qaida statt. Die größten Anschläge die Pakistan in der jüngsten Zeit erschütterten sollen hier geplant und organisiert worden sein, die Befehle sollen jeweils von den ranghöchsten Islamisten-Führern der Region an die Suizid-Kommandos gegangen sein.
Dem mächtigsten Taliban-Kommandeur Pakistans, Baitullah Mehsud, gilt die nun gestartete Militäroperation. Wenige Tage nachdem die Armee im Auftrag der Regierung Zardari das Swat-Tal im Mai diesen Jahres von der Taliban-Herrschaft gewaltsam befreite, reagierte die Führung der “Tehrik e-Taliban”-Bewegung unter Leitung von Baitullah Mehsud mit einer Anschlagsserie in den größten Städten den Landes. Mit spektakulären Selbstmordattentaten gegen Armeeeinrichtungen und Hotels wollten die Islamisten beweisen dass ihre Schlagkraft weit über die von ihnen kontrollierten Gebiete hinaus reicht. Rache geübt wurde außerhalb von Swat, ein Machtkampf entwickelte zwischen den Taliban und der pro-westlichen Regierung Islamabads.
Im nächsten Kapitel soll nun der größte innenpolitische Feind, der Kopf der “Tehrik e-Taliban” entmachtet werden. Mehsuds Reich erstreckt sich über Süd-und Nord-Waziristan, über 30,000 Mann soll der kamerascheue Staatsfeind Nr1 inzwischen unter Waffen haben, eine Privatarmee zu der auch Teams von todeswilligen Selbstmordbombern gehören. Pakistans Luftwaffe griff in den vergangenen Tagen mehrere Ziele rund um den Heimatort Mehsuds, Makeen, an. Ausbildungslager für Dschihadisten, Bombenwerkstätten, Waffenlager und Verstecke der Taliban sollen getroffen worden sein, einige von Mehsuds Männern starben bereits während den ersten Gefechten in Süd-Waziristan.
Monatelang drängte Washington die pakistanische Regierung darauf den wahren Kern des Taliban-Problems anzugehen, und der befindet sich eben nicht in den von den Gotteskriegern eroberten Gebieten Swat, Dir, Buner oder Malakand, sondern im Grenzland zwischen Afghanistan und Pakistan.

Was sich nun abzeichnet ist eine Schlacht deren Ausgang Washington vielleicht besänftigen wird, der sich aber jenseits der internationalen Kameras und Beobachter abzeichnet. Am Ende wird die Armeeführung mit den lokalen Machthabern Übereinkünfte treffen die einen schrittweise Rückzug des Militärs aus Waziristan vorsehen, gleichzeitig aber die Macht der Islamisten einschränken. Möglicherweise wird Baitullah Mehsud den erneuten Vorstoß der pakistanischen Regierungstruppen nicht überleben, seine Kämpfer werden erbitterten Widerstand leisten und die umkämpften Provinzen in ein Schlachtfeld verwandeln, aus denen - ähnlich wie bereits im nördlichen Swat - tausende Zivilisten fliehen werden.
Für Al Qaida geht mit einer erfolgreichen Offensive ein wichtiger Rückzugsort für den globalen Terrorismus verloren, ein Schlag den das Netzwerk nur schwer wird kompensieren können. Hunderte kleine Camps bilden seit dem 11.September in den Stammesgebieten die nächste Al Qaida Generation aus, hier wird aus der Dschihad-Ideologie tödliche Praxis. Gerüchteweise ist aus der Region zu vernehmen dass Al Qaida Abgeordnete sich in Süd-Waziristan erst vor kurzem mit Baitullah Mehsud und dem Kommandeur Süd-Waziristans, Mullah Nazir getroffen haben. Der Grund für die Krisensitzung liegt auf der Hand: Mehsuds Rache-Reaktionen auf die Swat-Offensive provozierten die Regierung nun auch in die Stammesgebiete einzumarschieren, ein Supergau für alle dort aktiven Islamisten-Gruppen.
Abu Yahya al Libi, Al Qaidas Ideologie-Propagandist soll zusammen mit dem Anführer der chinesischen Islamisten Abdul Haq al Turkestani vom Terrornetzwerk Osama Bin Ladens geschickt worden sein. Daneben sollen ein weiterer Taliban-Kommandeur und ehemaliger Konkurrent Mehsuds, Sirajuddin-Haqqani, sowie zwei Mitarbeiter von Mullah Abdullah Zakir, dem Ex-Guantanamo-Häftling und ranghöchsten Militärführer der Taliban in Süd-Afghanistan, als Teil der 11köpfigen Gesandtschaft am Treffen teilgenommen haben. Baitullah Mehsud sollte umgestimmt werden seinen Terrorkrieg weniger auf den pakistanischen Staat und seine Anführer als vielmehr auf Afghanistan und die dortigen NATO-Truppen zu konzentrieren. Die “Tehrik e-Taliban” hätte sich schon viel früher auf die ausländischen Feinde im Nachbarland stürzen sollen, als einen innerstaatlichen Konflikt mit der Regierung in Islamabad ausufern zu lassen.
Dass die Vermittlungs- und Überzeugungsversuche wohl wenig hilfreich waren eine drohende Offensive in FATA abzuwenden zeigen die Ergebnisse der letzten 24 Stunden.

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