Tuesday, June 2, 2009

Pauken und Trompeten? Bomben und Raketen!


Vom Weltall aus betrachtet ist Nordkorea nachts einer der dunkelsten Flecken der Erde. Ein Reich das sich getrieben von einer Paranoia fremder Invasion, mit allen Kräften gegen seine realen und imaginären Feinde zur Wehr setzt. Kim Jong Il muss sein kommunistisches Steinzeit-Paradies in einer globalisierten Welt ohne Kalten Krieg, ohne Klassenkampf, ohne klare Gegner und Unterstützer führen, diese schwere Last übernahm er vor fast genau 15 Jahren von seinem Vater Kim Il Sung. Jetzt gilt es seine eigene Nachfolge zu regeln, und der Saat das Überleben zu sichern. Autorität verleihen soll dem neuen Führer Nordkoreas eine Waffenkammer vor der die Welt erzittert, eine Maßnahme die nachvollziehbar, aber vollkommen wahnwitzig erscheint. Ob Kim´s Botschaft verstanden wird? “Ich lebe noch, aber wir bleiben nach meinem Tod unantastbar!”



Es hat nie etwas gutes wenn die Erde bebt, egal an welchem Ort des Planeten. Im südlichen Pazifik lösen die Beben Tsunamis aus, in den Bergregionen Zentralasiens und der Türkei verwandeln sie ganze Städte in Schutt und Asche. Eher selten registriert die Wissenschaft seismische Erdstöße der Stärke 4 und höher in Nordost-Asien. Am 25.Mai 2009 schlugen die Zeiger in Kalifornien, Alaska, Japan, Russland und Südkorea aus: irgendwo zwischen 4,5 und 4,7 lag die Stärke des Bebens welches die Behörden auf beiden Seiten des Pazifik aufzeichneten. Die Geburtsstätte der Erschütterung lag in über 10km Tiefe, in der nordkoreanischen Provinz Nord-Hamgyong, nahe der Stadt Kilju.
Noch bevor japanische oder südkoreanische Medien über den Vorfall berichteten meldete die russische Agentur ITAR-Tass, man wisse dass Nordkorea einen Nuklearsprengsatz mit einer Stärke von 20-Kilotonnen unterirdisch gezündet habe. Zum Vergleich: die über Hiroshima abgeworfene US-Atombombe verfügte über 12,5 Kilotonnen, die Nagasaki-Bombe hatte 22 Kilotonnen Sprengkraft. Anscheinend unbemerkt von westlichen Geheimdiensten und den Nachbarstaaten hatte die nordkoreanische Führung in den Wochen zuvor einen zweiten Atombombentest vorbereitet. Nach der ersten erfolgreichen Zündung im Jahr 2006, mit der sich das stalinistische Regime von Kim Jong Il in die Reihe der Atommächte bombte, hatte es ein diplomatisches Hin-und-Her zwischen Nordkorea und dem Westen gegeben. Zweifel an der Absicht des nordkoreanischen Diktators herrschten keine, er will die Weltgemeinschaft erpressen, sich freikaufen von der Isolation und den wirtschaftlichen Sanktionen, aus diesem Grund baut sein Regime seit Jahren eine Drohkulisse auf die wie der Revolver auf der Brust Amerikas wirken soll. Abrüstung und Aufgabe des nuklearen Arsenals gegen Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten, Rohstoffen und technischen Ersatzteilen, diesen Deal galt es von nordkoreanischer Seite zu erringen. Über all dem aber schwebt die eigentliche Angst vor einem gewaltsamen Sturz durch ausländische Kräfte. Kim Jong Il möchte nach seiner glorreichen Ernennung zum Anführer eines “Schurkenstaaten” und Mitglieds der “Achse des Bösen”, nicht den gleichen Fehler begehen der bereits Saddam Hussein, Mullah Omar und Slobodan Milosowic den Kopf oder zumindest ihre Macht kostete. Ein Regime mit nuklearen Defensiv- und Offensiv-Waffen, womöglich sogar noch mit Trägersystemen ausgerüstet die einen Sprengkopf interkontinental transportieren können, muss keine Gefahr von außen fürchten, weder der ewige Erzfeind Japan, noch die letzte Weltmacht USA werden es wagen Kim Jong Il militärisch zu beseitigen solange dieser atomare Gegenwehr einsetzen kann. Kein amerikanischer Soldat, keine ausländische Armee, wird einen Fuß nach Nordkorea setzen solange der “Irre mit der Bombe” seinen Finger auf dem Knopf hält.
Beim Atombombentest, der nach nordkoreanischen Angaben positiv verlief, blieb es letzte Woche nicht, es folgte nur wenige Stunden später der Abschuss von mindestens einer Mittelstreckenrakete mit 130km Reichweite.
Nur einen Tag später schossen die nordkoreanischen Militärs weitere Raketen in den pazifischen Ozean zwischen Nordkorea und Japan. Alles sei Teil der “Maßnahmen um die nukleare Abschreckung zur Selbstverteidigung zu stärken”, erklärte Nordkoreas Presseagentur KCNA. Mittlerweile weiß man durch südkoreanische Spionagequellen und vor allem durch die Aufklärung amerikanischer Satelliten dass in Anbyon, an der Ostküste von Kim´s Reich, eine Interkontinentalrakete und mehrere Mittelstreckengeschosse in Stellung gebracht wurden. Tagelang bereiten die Nordkoreaner nun den Test dieser vor allem in Japan und den USA gefürchteten Waffen vor. Seit 24 Stunden soll die Betankung der Langstreckenrakete nun laufen, die Abschussrampe werde vorbereitet, hieß es aus Südkorea.
Wie nicht anders zu erwarten hagelte es bereits letzte Woche Kritik von allen Seiten auf das nordkoreanische Regime nieder. Washington, Tokio, Seoul waren die ersten die ihre Verachtung für den Diktator und seine nuklearen Spielchen zum Ausdruck brachten, es folgten weitere Staaten, der UN-Chefsekretär Ban Ki Moon und nach einer Dringlichkeitssitzung auch der UN-Sicherheitsrat der einstimmig eine Verurteilung Nordkoreas verlauten ließ. Höchst ungewöhnlich schlug sich dabei sogar die Volksrepublik China auf Seiten der Nordkorea-Gegner. Pjöngjangs letzter Unterstützer strafte damit den unartigen ideologischen Sprössling Kim Jong Il zumindest diplomatisch ab. Paradox erscheint die Tatsache dass man es aus Peking hieß man sei ebenso wie der Rest der Welt vom Test der zweiten nordkoreanischen Atombombe überrascht worden. Das soll glauben wer will, fest steht dass die Volksrepublik der einzige und letzte wirtschaftliche und politische Alliierte Nordkoreas ist und ohne China eigentlich nichts mit Bezug auf das kommunistische Zwergenreich geschehen kann. Ernsthaft schenkt wohl niemand den chinesischen Aussagen Glauben, die Geheimdienste Pekings werden sehr genau über derart folgenschwere Aktionen informiert gewesen sein, wenn auch nicht ihre Zustimmung erteilten.
Was geht in Kim Jong Il vor dass er die Welt am 25.Mai mit dem Beben einer Nuklearexplosion wecken ließ? Beweisen musste der kleingewachsene Machtmensch nichts, spätestens seit 2006 weiß Washington wozu Nordkorea fähig ist. Mehr Rätselraten als tatsächliches Wissen war das was CIA & Co. seit den 1990er Jahren über das nordkoreanische Atomprogramm zusammengetragen hatten. Keiner wusste genau ob und wenn ja wieviel waffenfähiges Uran Kim besaß. Weder die Internationale Atomenergiebehörde IAEA noch die Südkoreaner, Russen oder Japaner waren sich sicher ob Nordkorea bereits einen Sprengkopf besaß. Dass es nicht nur einer ist, machte das Regime vor wenigen Jahren schon klar, wozu also ein zweiter Test?
Abschreckung ist nicht nötig, die neue US-Administration Obama fährt einen weitaus defensiveren Kurs als die Bush-Krieger, Afghanistan und Pakistan sind die größten Probleme des neuen Präsidenten, die “Achse des Bösen” scheint begraben, das Verhältnis zu Kuba entspannt sich zusehens, man lässt sich vom sozialistischen Vorgarten-Teufel Chavez sogar Bücher schenken, selbst Syrien erhofft sich neuen diplomatischen Wind aus Washington. Ohne Zweifel ist Nordkoreas Botschaft an die USA gerichtet, es soll eine Art Erinnerung sein, dass man weiterhin Spieler auf dem internationalen Parkett sein will. Gerüchte über Kim Jong Ils Erkrankung, sogar dessen möglichen Tod, machten Ende 2008 die Runde, die Nachfolge-Frage schien ungeklärt, manch einer spekulierte schon darauf der “Problemfall Nordkorea” könnte sich von alleine lösen. Die furchtbarste Waffe zündet, die die Menschheit kennt, ist eine ungewöhnliche Art zu zeigen dass man noch quicklebendig ist und das Land mit starker, entschlossener Hand führt und gegen alle Feinde verteidigt, aber was ist schon gewöhnlich im Reich des “geliebten Führers”? Wie auf eine solche Provokation zu reagieren ist, ähnelt mehr einem diplomatischen Protokoll, einem Schritt-für-Schritt Notfallplan der internationalen Politik als einer echten Maßnahme. Genau darauf setzt Nordkorea seit Jahren, der Überraschungsmoment und die absolute Ohnmacht der Gegenseite. Was bleibt Hillary Clinton anderes übrig als zu verurteilen was längst geschehen ist? Skandalös ist dabei weniger der Atombombentest selbst, als das Faktum dass die CIA nicht davor warnte. Kim´s Propagandacoup den Wind aus den Segeln zu nehmen wäre ein leichtes gewesen hätte man nur wenige Stunden vorher die Meldung herausgegeben man wisse von seinem Vorhaben. Nichts dergleichen geschah, alle mimten geschockt und überrascht.
Wirklich bedrohlicher geworden ist die Lage insgesamt durch den Vorfall am 25.Mai nicht, wie oft das Regime mittlerweile dem südlichen Nachbarn mit Krieg drohte oder die Reichweite seiner Raketen propagandistisch in den Himmel lobte, lässt sich nicht mehr zählen, das Säbelrasseln aus Nordkorea wird zu einer weltpolitischen Routine. Nordkoreas Raketenprogramme arbeiten fieberhaft an der Weiterentwicklung des Nationalstolzes, der Taepodong-Interkontinentalrakete. Der Radius soll erweitert werden um die US-Ostküste abzudenken. Alaska, die hawaiische Inselgruppe und Kalifornien sollen bereits zu den gefährdeten Gebieten zählen, Japan und Südkorea leben seit den 1990ern im Schatten von Kim´s Raketenbatterien. Zum Einsatz kommen könnten all diese kriegerischen Spielzeuge, sie einzusetzen würde allerdings einen so gewaltigen Gegenschlag erzeugen dass Nordkorea von der Weltkarte verschwinden würde. Riskieren will das niemand, wohl auch nicht der Verrückte von Pjöngjang. Ihm geht es um etwas anderes, er möchte das Erbe seines Vaters bewahren, die Dynastie für eine Zeit nach seinem Ableben sichern. Auslöser für diesen Gedanken dürfte der Gesundheitszustand Kim Jong Ils sein. Schlaganfälle und ähnliches setzten dem Diktator im vergangenen Jahr stark zu, erstmals wurde klar dass nicht feststeht wer nach seinem Tod das Steuer des stalinistischen Jurassic-Parks übernehmen soll. Sollte ihn plötzlich das Schicksal ereilen das jeden irgendwann trifft, besteht die reale Gefahr dass politische Feinde aus den eigenen Reihen, vorrangig aus dem Militär oder Parteikader die Macht an sich reißen. Noch schlimmer wäre das Szenario einer ausländischen Invasion. Insider behaupten für Kim Jong Il sei die Gefahr eines amerikanischen Angriffs eine tagtägliche Bedrohung. Seine Erzfeinde könnten seinen Tod zum Anlass nehmen dem Phantasiestaat, der einst von seinem Vater gegründet wurde, ein gewaltsames Ende zu setzen. Außer seiner Person scheint niemand die Säule des Staates zu sein, andere charismatische Führer fehlen, ein Nordkorea ohne Kim wäre ein nicht überlebensfähiges Nordkorea. Mit ihm hält sich das Land gerade so über Wasser, wirtschaftlich liegt es am Boden, gesellschaftlich entstand eine Nation von ideologischen Zombies die an akuter, permanenter Unterernährung und einem eletanten Bildungsmangel leiden. Geht die “Sonne Kim Jong Il” unter ohne dass ein neuer Führer bereitsteht, dann bricht die Galaxie Nordkorea zusammen, alles dreht sich um den einen, gottgleichen Anführer, er ist das Maß aller Dinge, die alles umfassende Macht in Person, Beschützer der Nation, Quelle des Wissens.
Befeuert vom Knall der Bomben und Raketen will Nordkoreas scheidendes Staatsoberhaupt sicherstellen dass die imperialistischen Feinde von Seoul bis Washington auf keinen Fall auf die Idee kommen einen Regimewechsel durchzuführen. Es geht darum einen Nachfolger zu installieren, Schritt für Schritt in die Politspitze einzuführen und ihn darauf vorzubereiten den Staat zu übernehmen. Schwäche in dieser Phase zu zeigen wäre ein fataler Fehler, deshalb bedurfte es der militärischen Tests in den letzten Wochen und Tagen.
Prompt kamen dann heute aus Nordkorea Berichte wonach Kim Jong Il seinen jüngsten Sohn Kim Jong Un offiziell zum Nachfolger ernannt habe. Jong Un übernehme wichtige Positionen in der Kommunistischen Partei, dem Militärkomitee und der wichtigsten Ministerien.
Im April bereits hatte der jüngste von drei Sprösslingen des Diktators einen Position in der Nationalen Verteidigungskommission übernommen, nun steht er offiziell bereit die Spitze des Staates und Nachfolger in der einzigen kommunistischen Dynastie der Welt zu werden. Über den kaum bekannten Kim Jong Un habe ich bereits hier einige Informationen zusammengetragen.
Anders als seine Brüder genieße der knapp 25jährige ausgebildete Militär das absolute Vertrauen seines Vaters, er gelte als zuverlässig, ist kein Lebemensch wie sein Halbbruder Kim Jong Nam und weniger modevernarrt wie Kim Jong Chul. Was Jong Un fehlt sei die Zustimmung in der Partei verraten südkoreanische Geheimdienstquellen. Einem möglichen Machtkampf sei er nicht gewachsen, es gebe mächtige Generäle die ihn verdrängen würden. Gesichert werden kann seine Autorität nur durch seinen Onkel, Chang Sung Taek, der die jüngere Schwester des Führers ehelichte. Sung Taek tauchte wie aus dem Nichts aus, nachdem man ihn 2004 von sämtlichen Ämtern entließ, übernahm Ende 2008 faktisch die Macht in Nordkorea als Kim Jong Il erkrankte. Seitdem gilt er als Vize-Führer, hält laut Experten alle wichtigen Zügel in den Händen und verfolgt exakt die gleichen politischen Strategien wie Kim Jong Il. Innerhalb Nordkoreas Politführung hat Sung Taek das Image eines kompromisslosen, linientreuen Hardliners. Während der Hungerkatastrophe 1998 ordnete er als Verantwortlicher für das Krisenmanagement der Partei, an Ersatznahrungsmittel zu produzieren,
teilweise aus Blättern, Gras, Ästen, Baumrinde, Stroh, Tierknochen und menschlichem Fleisch von Hingerichteten und Verstorbenen. Zur Zeit unterliegt ihm in erster Linie die Sicherheitspolitik, damit die mächtigen Geheimdienste und Polizeibehörden. Anders als Kim Jong Un würde es ihm im Fall eines Ablebens des “geliebten Führers” nicht an Autorität oder Charisma fehlen, sondern an politischer Legitimation, denn er ist kein Angehöriger der Dynastie, sein Blut ist nicht das adlige des Staatsgründers Kim Il Sung. Politische Gegner würden sich genau dies zu nutze machen und ihn beseitigen.



Wie auch immer Nordkoreas Machtkampf nach Kim Jong Il aussehen wird, sein Sohn wird als Marionette enden, sollte sein Vater ihn nicht zu einem kampferprobten Krieger ausbilden. Ausgestattet mit einem furchterregenden Waffenarsenal als abschreckende Basis schützt er ihn zumindest vor Aggressionen aus dem Ausland. Bleibt fraglich ob er ihn auch innenpolitisch etablieren kann. Wahrscheinlich ist die Atomexplosion des 25.Mai nicht die Geburt eines neuen Sterns am nordkoreanischen Polithimmel, sondern die untergehende Sonne eines Regimes dass längst schon wirkt wie eine aussterbende Art in einem kommunistischen Zoo.

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