Wednesday, April 7, 2010
Die Wahrheit ist grau
Zeigt das jahrelang geheim gehaltene US-Militärvideo vom tödlichen Zwischenfall von Bagdad am 12.Juli 2007, einen hinterhältigen Mord an irakischen Zivilisten und zwei Reuters-Journalisten? Oder täuschen die Bilder, die vorgestern das Internetportal WikiLeaks der Öffentlichkeit präsentierte, und zeigen lediglich die fatalen Folgen einer tragischen Fehlentscheidung einer Hubschrauber-Besatzung?
Ein Untersuchungsbericht des US-Militärs, erstellt nur fünf Tage nach dem Tod der Reuters-Fotografen Namir Noor-Eldeen und Said Chmagh, behauptet, die beiden Journalisten seien in Begleitung "bewaffneter Aufständischer" gewesen. Zu keinem Zeitpunkt habe die Hubschrauber-Crew damit rechnen können, dass sich am Boden unbewaffnete Zivilisten aufhalten.
Nachdem die Schüsse fielen und elf Männer tot am Boden lagen, rückten Bodentruppen in das Gebiet vor und fanden wohl neben den Digitalkameras der Reuters-Mitarbeiter tatsächlich Waffen - zwei RPG-Panzerfäuste und eine Kalaschnikow - neben den Leichen liegend.
Den einzigen Fehler, den der Bordschütze des Apache-Hubschraubers machte, war laut US-Militär-Analyse, die Kameraobjektive von Eldeen und Chmagh irrtümlich für Schusswaffen zu halten.
Eine Szene, in der einer der Journalisten die Kamera um eine Häuserecke hält und auf dem Boden kniet, wurde von den Hubschrauber-Piloten als schussbereiter Aufständischer interpretiert und der Feuerbefehl erfragt.
Tatsächlich aber fotografierte die Person am Boden einen nur 100m entfernten Humvee, der in der Straße Position bezogen hatte.
Als ein Minivan zur Rettung eines überlebenden des Hubschrauber-Angriffs heranfuhr, mussten die US-Piloten davon ausgehen, so der Militärbericht, dass es sich um Unterstützer von Aufständischen handelt, die einen verletzten Terroristen evakuieren wollten.
Die beiden irakischen Kindern, einem vierjährigen Mädchen und einem achtjährigen Jungen, die US-Truppen später schwerverletzt im zerschossenen Fahrzeug fanden, war zu diesem Zeitpunkt durch die Kamera des Hubschraubers nichts zu sehen gewesen. Demnach hätte die Apache-Crew vollkommen legitim gehandelt.
Trotz des Versuchs mit dem Militärbericht die beteiligten US-Soldaten von jeder Schuld zu befreien und die Journalisten, die ohne erkennbare Identifikation (Westen, Helme, Pressesymbole) aufgetreten waren, des Leichtsinns zu beschuldigen, wirft der Report einige neue Fragen auf. Keiner der getöteten Männer gab auch nur einen Schuss auf US-Soldaten ab.
Selbst wenn sie Waffen bei sich trugen - wie es im Irak an beinahe jeder Straßenecke vorkommt - stellten sie zu diesem Zeitpunkt keine unmittelbare Gefahr für amerikanische Truppen dar. Der Angriff des Kampfhubschraubers wurde also in keiner Weise provoziert.
Auch die Frage, warum die offensichtlich unbewaffneten Helfer, die versuchten den verletzten Said Chmagh, in Sicherheit zu bringen, ebenfalls beschossen wurde, beantwortet der Militärbericht nicht. Ebenso verschwiegen wird die Tatsache dass ein Fahrzeug der Bodentruppen bei der Sicherung des Geländes über einen am Boden liegenden Leichnam fuhr.
Soldaten, die direkt an dem Zwischenfall im Bagdader Stadtteil Tisa Nissan (damals "New Baghdad") beteiligt waren, erklären unter Eid in handschriftlichen Augenzeugenprotokollen, es seien keine "Nicht-Kämpfer" vor Ort gewesen. "Ich glaube alle waren beteiligt", schreibt ein Soldat über die Opfer des Hubschrauber-Angriffs.
Noch direkter fällt das Urteil des Verfassers der Militäruntersuchung aus: "Ich schließe daraus (aus der Videoanalyse aus dem Hubschrauber) dass sich die beiden Reuters-Mitarbeiter in Begleitung von bewaffneten Aufständischen befanden, die im Moment des Zwischenfalls auf US-Bodentruppen geschossen haben."
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