Tuesday, April 28, 2009

Neuer Führer am Kap der Hoffnungslosigkeit


"Gott erwartet von uns dass wir dieses Land regieren weil wir die einzige Organisation sind die von einem Pastor gesegnet wurden als wir uns gründeten. Sie ist sogar im Himmel gesegnet! Das ist der Grund weshalb wir regieren werden bis Jesus wiederkehrt!” - so begründete einst ein Mann stolz die Herrschaft einer schwarzen Volksbewegung über Afrikas letzten Apartheids-Staat “Suidafrika”. Damals wie heute klingen diese Aussagen erschreckend, vielleicht sogar verrückt, auf jedenfall aber provokant und prophetisch zugleich.
Der Mann der sich für einen Führer von Gottes Gnaden, im Namen der Entrechteten und Machtlosen aufspielte, ist der letzte Woche neu gewählte Präsident der südafrikanischen Republik und damit Nachfolger des wohl bekanntesten afrikanischen Menschenrechtlers und Freiheitskämpfers Nelson Mandela. Sein Weg an die politische Spitze seiner Heimat ist gezeichnet von fragwürdigen, kontroversen Äußerungen, dubiosen Gerichtsverhandlungen, vom Kampf um Freiheit bis hin zum Machtkampf. Jacob Zuma führte den African National Congress von Mandela in der letzten Parlamentswahl zum Sieg. Sein Triumph kam für niemanden überraschend, dass seine Partei letztendlich doch nicht auf die eigentlich traditionellen und ungebrochene Zweidrittel-Mehrheit kam, verwunderte dennoch viele Beobachter.
Einst der fortschrittlichste Staat auf dem anscheinend hoffnungslosen Schwarzen Kontinent gibt Südafrika heute nur noch ein klägliches Bild dessen ab was die Welt so gerne als den bunten "Rainbow-State" Afrikas bezeichnet. Nichts von dem Erhofften scheint in Erfüllung gegangen zu sein, die Apartheid nahm ein friedliches Ende, ein neues Grauen nahm schleichend seinen Anfang. Nicht mehr staatliche Diskriminierung, Rassen-Hass und brutale Unterdrückung quälen die Menschen am Kap sondern unerträgliche Kriminalität, weiterhin bitterste Armut in wachsenden Slums und die allgegenwärtige Todesseuche AIDS.
Anders als nach Ende der Apartheid 1994 feierten die Südafrika diesmal nicht den Vorsitzenden des ANC wie einen Befreier und Helden, er galt lediglich als haushoher Favorit, hatte als Mitstreiter Mandelas und Urgestein der Partei von Anfang an hohe Sympathiewerte und mimte zu jeder Gelegenheit den starken Staatsmann der sich von niemandem etwas sagen ließ, “political correctness” nicht zu kennen schien und entschlossen war die Wahl trotz aller Hindernisse und Angriffe auf seine Person für sich zu entscheiden.
Südafrikas Wirtschaft richtet sich im Moment auf das Jahr 2010 aus, alles erwartet mit Freude die Fußball Weltmeisterschaft und von Seiten der Politik arbeitet man fieberhaft an einem Imagewechsel, weg vom Hort der Gewalt und Verbrechen, hin zu einer Heimat für Menschen aller Hautfarbe, Abstammung, Religion und Kultur. Nun steht fest dass Jacob Zuma derjenige sein wird der das Land in diese Zukunft führen soll. Was steht hinter diesem Phänomen, hinter einem Mann der so voller Lebensfreude wie Unberechenbarkeit sein soll?

Demokratie in Afrika, so sagt man, laufe letztendlich auf Herrschaftssystem der Stämme, Sippen, Klans und Familien hinaus. Politische Parteien vertreten meist bestimmte ethnische Gruppen, vermischen Ideologien mit Religion, Kultur und Tradition, gelten als verlängerter Arm von Stämmen.
Dabei zeigt sich dass diese alte Weisheit gebrochen werden kann, zumindest an einigen Orten des Kontinents. Während man im Norden, gleich auf der anderen Seite des Mittelmeers, also sehr nah bei den ehemaligen europäischen Kolonialherren, anscheinend nur durch ein Demokratie-Defizit funktionierende Staatensysteme erhalten kann, hat sich nach Jahrzehnten in denen Wahlen exklusive Privilegien der weißen Bevölkerung darstellten, seit den 1990er Jahren an der Südspitze Afrikas eine einigermaßen erfolgreiche demokratische Ordnung etabliert.

Erstaunlich viele politische Meinungen, Ideologien und Denkansätze ringen im politischen Geschäft Südafrikas um Macht und Einfluss, alle aber verständigen sich auf ein Versprechen was treibende Kraft im Wahlkampf wird: ein besseres Südafrika.
Von statistischer Seite aus betrachtet ist die Entwicklung des Staates in beinahe allen Bereichen des Lebens erschreckend negativ. Johannesburg gilt als die Welthauptstadt der Morde und Vergewaltigungen, Kriminalität ist keine Ausnahme sondern Teil des ganz regulären südafrikanischen Alltags. Einer Nation wurde allmählich bewusst in welche Misere sie abzurutschen droht, wer konnte verließ Südafrika schon vor Jahren. Schuld an dieser Entwicklung suchte die politische Führung steht´s bei anderen, sie warf den Kritikern Schwarzmalerei vor und zeichnete weiter das Bild eines Wunschlandes dass in der Realität für die Menschen, schwarz wie weiß, nicht mehr existiert. Angesichts all der Probleme, all der Fehlentwicklungen der letzten 15 Jahre, müsste man erwarten die Südafrikaner hätten längst erkannt dass eine korrupte, unfähige Riege von Politikern verantwortlich ist für die aktuelle Lage. Seit dem ersten Wahlsieg nach Ende der Apartheid-Ära regiert der ANC quasi ohne nennenswerte Konkurrenz als herrschende Partei über Südafrika, zunächst unter einem vernünftig und hoffnungserweckend agierenden Präsident Nelson Mandela, danach unter Führung des charismatischen Thabo Mbeki, einem Mann mit politischem Gespür aber nicht fähig zu großen Reformen und Wandel. Die Parteibasis stützt sich noch immer, wie zu Zeiten des Kampfes gegen die Rassentrennung auf die mehrheitlich arme, inzwischen wohl untere Mittelschicht, sie wird getragen von jenen die in ihren Köpfen noch nicht abgeschlossen haben mit der Apartheid und den Verbrechen der weißen Herrschaft. Geblendet durch den wieder und wieder beschworenen Freiheitskampf, gelockt mit Versprechen die heute genauso wenig der Realität versprechen wie vor zehn Jahren und getrieben von der Rhetorik charismatischer Führer und dem Wunsch endlich ein besseres Leben führen zu können, verhalf der schwarze Bevölkerungsanteil der unteren Schichten dem ANC mehrfach zum Wahlsieg. Für die älteren Generationen der Weißen, für die Nachkommen der britischen Kolonialherren und der burischen Afrikaaner, bedeutet das Kürzel ANC Terrorismus, gesetzloser Guerillakampf und immer öfter schwarzer Rassismus. Ihre Stimmen gehören in den seltensten Fällen dieser Partei die einige schon zur südafrikanischen Alleinherrscherin deklariert haben.
Mandelas Erbe führt eine politische Elite fort, die diese Bezeichnung kaum verdient haben. Die wenigsten von ihnen weisen wirkliche Politerfahrung auf, ihre Qualität in Sachen Staatsführung wurden nie geprüft oder auch nur hinterfragt. Was zählt war immer und ist Charisma, ein Auftreten das den Menschen Stärke und Hoffnung vermittelt, gepaart mit einem absurden Bedürfnis den längst gewonnenen “Freiheitskampf” weiterführen zu müssen. Vielen Südafrikanern scheint die Freiheit die sie seit über einem Jahrzehnt genießen dürfen noch nicht bewusst zu sein, sie leben in einem Umfeld in dem sie glauben die alten Machtstrukturen seien noch vorhanden und man bedürfe der Partei der Schwarzen um eine Wiederkehr der Apartheid zu verhindern.
Der ANC, so hört man immer wieder, müsse weiterhin die politischen Zügel in der Hand halten weil er ein Garant sei dass diejenigen die zur alten Zeit zurück wollen keine Chance mehr haben. Dabei scheint es kaum von Bedeutung dass die Wahlversprechen des ANC, die Hoffnungsmache und die illusionäre Vorstellung ein radikaler Wandel sei möglich, zerplatzen wie Seifenblasen wenn der Durchschnitts-Bürger in seinen Alltag zurückkehrt, dessen Probleme und Herausforderungen teilweise vom ANC zu verantworten sind.
In den Wochen und Monaten vor der diesjährigen Wahl gingen die Meinungen der Politologen, Beobachter und Journalisten zum ersten Mal erheblich auseinander wie der ANC die Wahl 2009 meistern werde. Kontroversen und Ereignisse rund um die Kandidaten machten den Urnengang diesmal außergewöhnlich interessiert und auch spannend. Die Frage die sich stellte war dabei nicht ob der ANC am Ende wieder stärkste Partei sein würde sondern es ging um die Details die als Zeichen für langsamen aber dennoch vorhandenen Wandel gedeutet werden. Gelingt es den Erben Mandelas wieder eine Zweidrittel-Mehrheit zu sichern? Wird es der umstrittene Kandidat Jacob Zuma schaffen einen Teil der ANC Anhängerschaft hinter sich zu bringen die sich nach den politischen Ereignissen der letzten Jahre mit der Partei überworfen hatten? Wie wird das neue Bündnis COPE als stärkste Oppositionspartei letztendlich abschneiden? Diese Fragen konnte bis zum Schluss niemand beantworten, Umfragen zeigten dass Zuma mit einem sicheren Sieg rechnen konnte, dabei musste die Partei insgesamt mit Rückschlägen in ehemaligen Hochburgen rechnen.
Die Vorboten für diese Wahl waren alles andere als hoffnungsvolle Aussichten. Begonnen hatte alles nachdem der ANC im September 2008 den amtierenden Präsident Südafrikas Thabo Mbeki von seinem Amt abberief. Schon im Jahr davor, am 18.Dezember 2007 verlor Mbeki beim Parteitag die ANC Präsidentschaftswahl mit knapp 800 Stimmen Unterschied gegen seinen größten Rivalen und Widersacher Jacob Zuma. Nur ein Jahr später hatte sich ein Teil des ANC weitestgehend gegen Mbeki gestellt und forderte seinen Rücktritt, der den Weg für Zuma freimachte.
Dessen Aufstieg an die Spitze der größten Partei Südafrikas und schließlich ins höchste Amt des Staates beginnt in der Provinz, in einem winzigen Dorf namens Ikandla, im nordöstlichen Natal gelegen. Hier wird Jacob Gedleyihlekisa Zuma am 12.April 1942 als Sohn einer Zulu-Familie geboren, der Vater ist ein Polizeibeamter und stirbt als Jacob drei Jahre alt war, damit war die Familie ohne Einkommen und den Kindern konnte keine Ausbildung ermöglicht werden. Nach der fünften Klasse (damals Stufe 3) verließ Jacob die Schule und besitzt deswegen bis heute keinen offiziellen Schulabschluss. Sein erstes Geld verdient der als Kind mit dem Hüten von Vieh und kleineren Gelegenheitsjobs in der nahegelegenen Großstadt Durban. Als Jugendlicher (im Alter von 17) schließt er sich der schwarzen Widerstandsbewegung ANC gegen das Apartheid-Regime an, zunächst wird er Mitglied der Untergrundorganisation “Umkhonto we Sizwe” (Speer der Nation), einer militanten Jugendorganisation des ANC, der 1961 offiziell verboten wird und in Südafrika nur noch unter Decknamen aktiv ist. 1963 wurde Zuma Mitglied in der Kommunistenpartei Südafrikas, noch im gleichen Jahr geriet er zusammen mit 45 anderen Aktivisten in Haft und wurde wegen des Verdachts auf Planung eines Regierungsumsturzes zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, wobei er einen Teil der Strafe auf der durch Mangelas Haft bekannten
gewordenen Insel “Robben-Island” mit einigen ANC Führern verbüßte.
Kaum auf freiem Fuß zog es Zuma zurück in die Provinz Natal wo er weiterhin als Widerstandskämpfer am Aufbau eines Untergrund-Netzwerkes des ANC arbeitete. Weil die Anti-Terror-Maßnahmen der Regierung die Arbeit zunehmend erschwerten verließ Zuma mit einigen Mitstreitern 1975 Südafrika und ging zunächst nach Swasiland, dann ins mosambikische Exil wo er half den Strom der schwarzen Flüchtlingen nach dem sogenannten “Soweto-Aufstand” zu versorgen. Durch seine ambitionierte Tätigkeit gelang es ihm schließlich 1977 Mitglied des ANC Führungskomitees zu werden. Es folgten eine Funktion als ANC Repräsentant in Mosambik 1984 und eine Flucht 1987 in das benachbarte Sambia, auf Druck der Apartheid-Regierung. In der sambischen Hauptstadt Lusaka ernannte ein Führungskader der Partei Zuma zum Chef der Geheimaktivitäten des ANC. Jahrzehnte des politischen und des militanten Kampfes gegen Unterdrückung und für die Freiheitsrechte der schwarzen Südafrika führten im Februar 1990 dazu dass die südafrikanische Regierung den ANC als legale Partei zuließ. Nur kurze Zeit später kehrte Jacob Zuma als einer der ersten Führungsmitglieder der Organisation in seine Heimat zurück und begann mit den Verhandlungen über die Zukunft Südafrikas. Bedingt durch seine Exil-Zeit verspürte er ein dringendes Bedürfnis in seine Heimatregion, das KwaZuluNatal zurückzukehren, wo er offiziell als ANC/Natal-Funktionär fungierte.
Politische Spannungen in dieser Gegend hatten zu Ausbrüchen der Gewalt zwischen dem ANC und der Inkatha Freiheitspartei (IFP) geführt. Zumas Interesse konzentrierte sich darauf den Konflikt friedlich zu lösen, seine Zulu-Zugehörigkeit half dabei entscheidend, denn die IFP verstand sich als Partei der Zulus und trat als Verfechter deren Rechte auf. Durch seine Gespräche mit den Rivalen im Natal gelang es Zuma die Zulu-Bevölkerung ein Stück näher an den ANC heranzurücken. 30 Jahre war er bereits Parteimitglied als Jacob Zuma im Alter von 50 Jahren beim ersten Parteitag des ANC zum Vizeparteisekretär gewählt wurde. Die anschließenden Wahlen 1994 sicherten ihm einen Platz in der Provinzregierung seiner Heimatregion. Mit seinem Sieg bei der Wahl zum ANC Vizepräsidenten wurde der charismatische, taktisch immer sehr klug agierende Zulu schließlich auch im Juni 1999 von Präsident und Mandela-Nachfolger Mbeki zu dessen Stellvertreter ernannt. Im Ausland war Zuma bis zu diesem Zeitpunkt wenig in Erscheinung getreten, mit Ausnahme der Friedensverhandlungen in Uganda wo er als Vermittler der ruandisch-burundischen Konfliktparteien nach dem Völkermord im Ländereck Ruanda, Burundi, Kongo auftrat. Damals konnte man erkennen dass sich Zuma als Überbrücker der kulturellen und ethnischen Differenzen, die oft so entscheidend sind in afrikanischer Politik, versteht. Seine Zugehörigkeit zum Zulu-Stamm war politisch nützlich gewesen, bildete zudem die Möglichkeit im ANC, einer Partei mit einer Minderheit an Zulus, als Verständigungsfigur zwischen den Volksgruppen aufzutreten.
Verraten hat Zuma dabei seine Herkunft nie, sein kulturelles Erbe ist ihm weiterhin heilig, er pflegt die Traditionen und Sitten seines Stammes in vielerlei Hinsicht. Polygamie beispielsweise hält er nicht etwa für sittenwidrig oder unmodern sondern für sein kulturelles und religiöses Recht als Zulu. Mittlerweile soll er Vater von 18 Kindern sein, geboren von neun verschiedenen Frauen. Auch Gesänge, Tanz- und Beschwörungsrituale gehören zum Alltag des lebensfrohen, meist lachend oder grinsenden Politikers. Kritiker sehen in ihn deshalb keinen Staatsmann der mit den Problemen der modernen, globalisierten Welt, noch dazu auf dem internationalen Parkett der Politik, zurecht kommt.
Niemand bestritt nach der Jahrtausendwende dass Jacob Zuma in seiner Funktion als Vize-Präsident des Landes auf dem Sprungbrett an die Spitze war, seine politische Laufbahn hinweg hatte er eine große Anhängerschaft hinter sich versammelt, Jahrzehnte des ANC-Kampfes gegen die Apartheid hatten aus ihm einen erfahrenen Kämpfer gemacht, über dem erst im Jahr 2005 dunkle Wolken aufzogen. Sechs Jahre zuvor hatte die südafrikanische Regierung begonnen an dubiosen Waffengeschäften teilzunehmen. Während der juristischen Aufarbeitung dieser Vorfälle kamen Korruptionsvorwürfe gegen Jacob Zuma auf, der angeblich Kontakt gehabt haben soll zum Hauptverdächtigen, dem Durbaner Geschäftsmann Shaikh, der gleichzeitig als Zumas Finanzberater tätig war. Um insgesamt fünf Milliarden Rand soll es damals gegangen sein, um Verkäufe südafrikanischer Marineboote und militärischen Materials. Wie weit Zuma tatsächlich in diese Geschäfte verwickelt war wurde aus den Verfahren nicht ersichtlich, sein Finanzberater wanderte für 15 Jahre hinter Gittern, nur 12 Tage später, am 14.Juni 2005 enthob Thabo Mbeki Zuma wegen der entstandenen Kontroverse und der Anklageschriften im Fall Shaik seines Amtes als Vize-Präsident.
Insider behaupten dieser Bruch mit Mbeki habe dafür gesorgt dass Zuma ab sofort entschieden daran arbeitete den Parteirivalen aus dem Amt zu trennen. Doch zunächst ging es für ihn um sein politisches Überleben was entscheidend von den Anklagen abhing. Das oberste Gericht Südafrikas konnte trotz mehrfacher Untersuchungen keine definitive Anklage vorbringen, die Anschuldigungen wurden von Zumas Anwälten vehement bestritten, es handle sich um eine politische Verschwörung. Da keine juristischen Folgen aus den Korruptionsuntersuchungen entstanden musste Präsident Mbeki Zuma am 15.Mai 2006 wieder in sein Amt als Stellvertreter zurückholen, im Dezember 2007 dann folgte der innerparteiliche Showdown zwischen den beiden Kontrahenten, die sich gegenseitig nicht mehr trauen
konnten und sich Loyalität absprachen. Jacob Zuma gelang es einen großen Teil des ANC zu formieren und gewann schließlich die Abstimmung. Ihm gelang es sich als starker Kämpfer zu präsentieren, Gerichsverfahren wegen Korruption, dann Ende 2005 Anklagen wegen Vergewaltigung, bestand Zuma unbeschadet, jedesmal schien er mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein, die Stimmen die ihm weiterhin vorwarfen schuldig zu sein, persönliche Kontakte in die Politik, Wirtschaft und Judikative Südafrikas ausgenutzt zu haben um sich rein zu waschen, konnte Zuma jedoch nie mundtot machen. Der Schatten des korrupten Machtpolitikers der nach eigenen Gesetzen lebt und handelt, hängt seit jenen Jahren an ihm, speist seine politische Gegnerschaft und liefert Stoff für die internationale Presse, die ihn als “Afrikas Berlusconi” und “Der Unberührbare” bezeichnet.
Zu behaupten Zuma sei plötzlich und von einem Tag auf den anderen eine kontroverse Figur in der südafrikanischen Politik geworden wäre aber falsch. Immer schon stießen Aussagen des redegewandten Hobby-Predigers ins Fleisch verschiedener Weltansichten. Dass er sich als ein Politiker im Namen Jesu sieht, der ANC eine heilige Partei sei die bestimmt wurde Südafrika zu beherrschen, dass er dennoch die heidnischen Bräuche des Zulu-Volkes hegt und pflegt, die Vielweiberei als Grundrecht ansieht und vorgibt HIV durch eine “heiße Dusche nach dem Sex” verhindern zu können, empörten nicht Menschen in Südafrika, sondern rund um den Globus. Als klar wurde dass Thabo Mbekis Tage als ANC Führer gezählt waren, warf man im Westen mit Argwohn ein Auge auf den neuen starken Mann am Kap. Konnte dieser anscheinend schwulenfeindliche, spirituell durchtriebene Nationalist und ehemaliger Freiheitskämpfer die Zukunft Südafrikas sein? Die Mitglieder des ANC jedenfalls sahen 2007 in ihm die Lösung auf die Probleme des Landes.
Unterstellt wurde Jacob Zuma in der Vergangenheit viel, einiges waren erfundene Lügen politischer Feinde, anderes erwies sich als Halbwahrheit. Nicht gefälscht oder verdreht werden konnten die Äußerungen dieses bulligen Mannes, der keine Gelegenheit auslässt um auf Parteitagen und bei Wahlkampfveranstaltungen zu traditionellen Rhythmen das Tanzbein zu schwingen und ausgelassen die Lieder aus Zeiten des Anti-Apartheid-Kampfes zu singen. Darunter war so manches Wort, das Zuma im Nachhinein vielleicht bereut haben mag, sich jedoch nie davon distanzierte. “Als ich aufgewachsen bin hätte mir kein Schwuler begegnen. Ich hätte ihn umgehauen!”, solche Statements zum Thema der Homo-Ehe oder die Forderung Minderjährigen Müttern ihre Kinder wegzunehmen, sie auf die Schule zu schicken und sie zu zwingen einen Abschluss zu machen, entsetzten Bürgerrechtsgruppen im Laufe der letzten Jahre. Zum Thema Zimbabwe ermahnte Zuma im SPIEGEL Interview 2006 die Europäer sich zu sehr über tote Afrikaner aufzuregen, im Kongo, in Ruanda und Angola seien Millionen Schwarze gestorben, und es hätte niemanden in Europa interessiert bis in Zimbabwe einige wenige Weiße umgekommen sein. Außerdem müsse man doch einsehen dass Robert Mugabe von den Afrikanern als Held gefeiert werde der die Menschen von Zimbabwe befreit habe, wie also könne man ihn jetzt dafür verurteilen?
Derartige Ansichten, dazu noch die Behauptung er habe sich beim Sex mit einer HIV-positiven Frau nicht angesteckt weil er gleich nach dem Geschlechtsakt eine heiße Dusche genommen habe, verängstigten besonders die immerhin gut 4,5 Millionen weißen Südafrikaner, von denen viele zimbabwische Zustände in den kommenden Jahren befürchten, einige sich für einen Bürgerkrieg rüsten. Mit Jacob Zuma als Präsident, so hört man immer wieder, werde Südafrika einen Schritt näher in Richtung des Schicksals Zimbabwes bringen, dann setze eine Politik des Populismus, der Machtgier und Rücksichtslosigkeit ein, die Korruption, Vetternwirtschaft, schwarzen Rassismus und Gewalt fördere. Nicht nur die speziell im Fall Jacob Zuma aufgetauchten Anschuldigungen schadeten dem Ansehen des ANC, dessen Gesicht Mandela nach Ende der Apartheid in aller Welt als das “neue Afrika” verkauft wurde. Es sind vielmehr die unzähligen Fälle von Korruption, die Parteikader die über Nacht zu Millionen geworden sind, die vielen Verzweigungen zwischen Wirtschaft, Politik, Richtern (Zuma selbst soll eine Affäre mit der Tochter eines Richters gehabt haben der dann sein Verfahren leiten sollte) und Staatsanwälten, die alte Weisheit von “Wasser predigen aber Wein trinken”, die Südafrikas aufstrebende und wachsende Mittelschicht und die gebildete Oberschicht vor Zumas Partei zurückschrecken lassen. Weil die Herausforderungen der Realpolitik anscheinend eine Nummer zu groß sind für den ANC und seine politische Führung, konzentrieren sich die machtorientierten Parteifunktionäre nach unten, suchen Unterstützung bei der breiten Masse der Menschen die trotz 15 Jahre Post-Apartheid keine Verbesserung sehen, weiterhin in den Townships leben, Opfer der skrupellosesten Banden und Straßendiebe werden, sich Tag für Tag scharenweise durch Vergewaltigung und Drogensucht mit HIV infizieren. Bei den Armen und Hoffnungssuchenden finden die revolutionären Bewegungen, zu denen der 1923 gegründet ANC gehört, ihre Kraft, es ging auch bei den jüngsten Wahlen darum diese erdrückende Masse zu mobilisieren. Zuvor aber stand Zuma eine Hürde im Weg die er überwinden musste. Noch hatten die südafrikanischen Gerichte die Verfahren zur Korruption nicht beigelegt, es fehlte eine endgültige Entscheidung. Freigesprochen wurde der 67jährige bereits im September 2008, weil der zuständige Richter Verfahrensfehler für gegeben ansah. Ausdrücklich machte Hochwürden keine Angaben zur Schuld oder Unschuld Zumas.
Die Einstellung des kompletten Verfahrens wegen Beihilfe oder Komplizenschaft in einem Korruptionsfall folgte am 06.April 2009. Nichts konnte nun mehr die Kandidatur des ANC Vorsitzenden verhindern, obwohl mindestens zwei Oppositionsparteien ankündigten ebenfalls Strafanzeige stellen zu wollen. Beobachter werteten den absoluten Freispruch Zumas als dessen Freipass zur Präsidentschaft. Tausende seiner Anhänger belagerten wieder und wieder Gerichtsgebäude, bedrohten Wahlkampfveranstaltungen gegnerischer Parteien und beteuerten lauthals die Unschuld ihres Kandidaten. Mehr denn je hatte Zumas Wahlkampfteam vor allem junge Leute auf die Straßen gebracht, in ANC-farbige T-Shirts mit dem Konterfei ihres “Helden” gesteckt und vor jede vorhandene TV Kamera gezerrt. Entscheidend für den Ausgang der Wahl war sicherlich die parteieigene Jugendorganisation ANC Youth League, die immer wieder durch provokante Aktionen, teilweise rassistische und gewaltverherrlichende Äußerungen ihrer Anführer in die Schlagzeilen gerät und sich gerne als Parteibasis gibt, dabei bestehen ihre Mitglieder meist aus arbeitslosen, ungebildeten Jugendlichen aus den Armenvierteln Johannesburgs und anderer ANC Hochburgen. Zusammen mit der kommunistischen Partei und den Vereinigten Südafrikanischen Gewerkschaften sicherte die ANC YL Jacob Zuma die Unterstützung zu, jubelte ihm bei jedem seiner Auftritte zu. Man ließ nichts unversucht um Zuma den absoluten Sieg zu sichern, sogar der Held der Nation, Nelson Mandela trat bei einer Wahlkampfveranstaltung auf, mahnte die Partei nicht in die Vergangenheit zu blicken, auch mit Hinweis auf Zumas Biografie der gerichtlichen Verfahren. Immer wieder die Parole: es gehe um ein besseres Südafrika für alle.
Obwohl Führer der schwarzen, teilweise anti-weißen Mehrheitspartei reichte Zuma zuletzt auch den Afrikaanern die Hand. Die Nachfolger der Buren seien das “einzig wahre weiße Urvolk Afrikas” und somit Teil Südafrikas wie alle anderen Stämme und Ethnien des Landes auch. Überzeugen ließen sich die Weißen wohl eher weniger, ihre Stimmen fielen mehrheitlich auf die Oppositionsparteien,
vor allem auf die “Demokratische Allianz” (DA) angeführt von Kapstadts mittlerweile legendärer 58jährigen Bürgermeisterin Helen Zille, deutschstämmige Tochter des Berliner Malers Heinrich Zille, deren Eltern 1934 vor den Nazis nach Südafrika geflohen waren, die sich sehr stark für die Bekämpfung von Kriminalität, Drogenmissbrauch und Gewalt engagiert und schon in frühen Jahren gegen das Apartheid-System kämpfte. Vor drei Jahren bereits siegte ihr Parteienzusammenschluss mit 42% der Stimmen bei der Bürgermeisterwahl von Kapstadt und brach damit die Dominanz des ANC, von dessen Seite sie häufig als Rassistin beschimpft wird. Seit 2006 gilt die DA als eine zukunftsträchtige Bewegung der demokratischen Vereinigung, die Mitglieder sind multiethnisch und bunt gemischt, meist jedoch aus dem Mittelstand kommend.
Neben der DA machte vor allem die neue Partei COPE dem ANC Probleme bei der Umsetzung des Plans zum Erringen der Zweidrittel-Mehrheit. Bedingt durch den parteiinternen Kampf zwischen Zuma und Mbeki zeigte sich eine große Zahl von ANC Anhängern unzufrieden mit der korrupten Führung, der Art wie man Mbeki absetzte und Intrigen geschmiedet hatte. Dies führte im Jahr 2008 zur Abspaltung vom ANC und der Gründung einer Bewegung in Johannesburg die sich “Congress of the People” (COPE) nennt und seitdem der Mehrheitspartei die Anhängerschaft streitig gemacht hat. Ihr Kandidat Hamilton “Mvume” Dandala ist Priester und kämpft seit Jahrzehnten mit verschiedenen Kirchenbewegungen für den Frieden in Afrika. Politisch orientierte er sich nie an den radikalen afrikanischen Freiheitsbewegungen, bei denen durch ihre meist marxistische Ideologie die Kirche immer in einem sehr suspekten Licht stand.
Allen politischen Themen wie Sicherheitspolitik, AIDS-Bekämpfung, politische Reformen, Kampf gegen Korruption, Wirtschaft, Stellung zu Zimbabwe, zum trotz gab der Urnengang in Südafrika letztendlich das Preis was sich oft bewahrheitet wenn das afrikanische Polit-Theater auf den Boden der Realität zurückkehrt. Wie erwartet errang der ANC einen Wahlsieg (65,9%), nicht aber ohne Stimmen einbüßen (264 von 267 Parlamentssitzen zur Zweidrittel-Mehrheit) zu müssen die schon fast als gewonnen galten. Jacob Zumas größtes Problem wurde in einigen Provinzen ersichtlich, die ehemalige ANC Hochburgen sind: es lief auf die ethnische Zugehörigkeit hinaus. Sowohl Nelson Mandela als auch Thabo Mbeki sind Xhosas, Angehörige eines Viehhirten-Volkes welches vor allem im Süden, rund um Johannesburg, vertreten ist. Zum ersten Mal ist mit Zuma kein Xhosa sondern ein Zulu Vorsitzender des African National Congress. Im Herzland der Zulus sicherte er sich den Sieg problemlos, bei den patriotischen Xhosas hingegen fiel es dem charismatischen Führer schwerer Stimmen zu gewinnen. Immerhin 16,7% konnte sich Helen Zille´s DA sichern und wurde zweitstärkste Partei, COPE schaffte nur enttäuschende 7,4%, weit unter den prognostizierten Ergebnissen für die ANC Rivalen. Von den 26 zugelassenen Parteien erreichten am 22.April 2009 die Hälfte den Einzug ins südafrikanische Parlament, was zeigt welch breites politisches Spektrum antrat um die Alleinherrschaft des African National Congress zu brechen.

Sie sind vorhanden, die Zeichen für politisches Umdenken, für ein Art Aufwachen der Masse, aber sie sind zu wenige, zu klein und kaum gehört. Den erhofften Zweidrittel-Bonus nicht zu erringen wertet Präsident Jacob Zuma garantiert nicht als historischen Verlust, dass er es faktisch trotzdem ist, ändert auch der gedrungene Grinsemann nicht.
Nun hat Südafrika sich demokratisch und frei für seinen nächsten Führer entschieden, für eine Politik die jetzt noch niemand vorhersagen kann, die für einige zum Albtraum werden könnte. “Now we are really fucked up”, sagt jemand der Südafrika aus erster Hand kennt. Die Fußball WM steht vor der Tür, Stadien werden für Millionen gebaut, die Tourismus-Branche lässt den Motor heiß laufen um die Infrastruktur für einen Fan-Andrang zu gewährleisten, Nacht für Nacht operieren Notärzte in Johannesburg und Kapstadt Schuss- und Stichverletzungen wie in Kriegsgebieten, Sicherheitsfirmen können sich vor Aufträgen kaum retten, Hilfsorganisationen verzweifeln an der unaufhaltsamen AIDS-Epidemie, hunderte Flüchtlinge, einige erkrankt an tödlicher Cholera, durchqueren Woche für Woche den Limpopo aus Zimbabwe, die letzten verbliebenen weißen Farmer füllen ihre Waffenschränke und Munitionslager auf...alles während ein neuer Präsident eingeschworen wird, ein ehemaliger Guerilla, heute im Armani-Anzug, immer freundlich lächelnd, stolz und siegessicher seinen Gegnern in der Politik und im Gerichtssaal trotzend. Vier Ehrendoktortitel besitzt Jacob Zuma, alle ohne einen Schulabschluss, drei Frauen soll er aktuell haben, sein Stammesrecht erlaubt ihm weitere. Einst behauptete er sehen zu können, wann eine Frau mit ihm Sex wolle, ob die Südafrikaner vor einer Woche in seinen Augen sehen konnten welche Zukunft sie mit Präsident Zuma haben werden ist fraglich. “Lethu Mshini Wami” - “Hol mir mein Maschinengewehr”, dies ist sein Lieblingslied, das Lied der Widerstandskämpfer, eines was schon Nelson Mandela vor 40 Jahren gesungen hat. Zuma singt es heute noch...

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