Wednesday, August 4, 2010

Keine Lust auf Ruhestand - Dokku Umarov führt weiter Dschihad


Vorgestern noch schien es, als sei der bullige Tschetschene, Dokku Umarov, Russlands Top-Terrorist, kriegsmüde. Eine verwackelte Handyvideo-Aufnahme hatte den Anführer der kaukasischen Rebellen neben seinem angeblichen Nachfolger gezeigt. Umarov hatte in dieser Videobotschaft erklärt, er werde die Führung des Dschihad im Kaukasus aufgrund gesundheitlicher Probleme an einen jüngeren Mitstreiter abgeben.


Dokku Umarov in seinem "Doch-Kein-Ruhestand"-Video

Mit dem Gedanken des Ruhestandes kann sich Umarov scheinbar nicht so recht anfreunden. So verbreiteten die kaukasischen Islamisten heute ein weiteres Videos ihres "Emirs". Darin sagt Umarov: "Ich denke, im Zusammenhang mit der aktuellen Situation im Kaukasus ist es nicht möglich vom Posten des Emir des Islamischen Emirats Kaukasus zurück zu treten." Seine Gesundheit, beteuert Umarov, sei gut genug um für Allah zu kämpfen. Dies werde er weiter tun und "weiterhin die Feinde Gottes töten". So Allah will, werde die vorangegangene Mitteilung damit rückgängig gemacht. Diese sei, so der Islamist, "fabriziert".

Was genau der kaukasische Terrorfürst damit meint, bleibt dahingestellt. In seiner Rücktrittsrede klang Umarov noch überzeugt davon, die Führung des Dschihad gegen Russland und seine verhassten Stellvertreter im Kaukasus, an einen jüngeren Rebellenkommandeur abzugeben. Nun soll dieses Video "fabriziert" worden sein? Auf den ersten Blick wirkt es kaum wie eine Fälschung. Es ist unscharf, verwackelt und die Tonqualität ist miserabl...soweit nichts ungewöhnlich für Propaganda aus kaukasischen Wäldern.

Möglicherweise bewegte Dokku Umarov die Aussage seines Erzfeindes, des tschetschenischen Machthabers Hamza Kadyrov zur zügigen Revidierung des Ruhestands-Statements.
Präsident Kadyrov, der mit seiner Miliz unerbitterliche Anti-Terror-Politik in der russischen Teilrepublik Tschetschenien betreibt, hatte zu Umarovs Videoauftritt erklärt: "Er ist krank, versteckt sich wie eine Ratte in einem Loch, voller Läuse, er hat seine Zähne verloren und ist nicht mehr in der Lage zu befehligen."

Dokku Umarov, der seit den 1990er Jahren im Kaukasus gegen den Einfluss Moskaus kämpft, übernahm in jüngster Zeit immer häufiger die Verantwortung für Anschlag auf die russische Infrastruktur. Im August 2009 beispielsweise bekannte sich Umarovs Gruppierung dazu, ein Bombenattentat auf das Sayano-Shushenskaya Elektrizitätswerk verübt zu haben. 75 Menschen starben bei diesem tragischen Vorfall, der nach russischer Darstellung ein Unfall war.
In wie weit Umarovs Angaben zu den vermeintlichen Anschlägen in Russland Wahrheit oder Fiktion sind, ist kaum zu klären. Propaganda heißt es von russischer Seite, Russland versuche die Erfolge der kaukasischen Rebellen zu verbergen, heißt es dagegen in Tschetschenien.

Der verheerende Doppel-Selbstmordanschlag auf die Moskauer U-Bahn am 29.März war der letzte große Angriff auf Russland, den sich Dokku Umarov zuschreiben kann. Jenem Attentat sollten weitere folgen, hatte Umarov beschworen. Doch es folgte nichts.
Eine echte Wiederbelegung des Dschihad im Kaukasus ist ausgeblieben. Zwar füllt die menschenrechtsverletzende Politik der kaukasischen Kriegsfürsten und Marionetten-Präsidenten, die seit Abzug der russischen Truppen die Macht in den Teilrepubliken übernommen haben, weiterhin die Reihen der Rebellen. Neue Terrorwellen, z.B. mit großangelegten Geiselnahmen wie im Moskauer Nord-Ost Theater, oder in der Schule von Beslan, blieben aus.

Lediglich im Nord-Kaukasus, vor allem in Dagestan, scheint der Funke übergeschlagen zu sein. Hier werden die Selbstmordattentate immer häufiger, Polizei und Miliz scheinen machtlos gegen die Hinterhalte der islamistischen Rebellen. Was früher Tschetschenien war, ist heute Dagestan. Ein Land, zerrüttet vom blutigen Guerilla-Krieg.

Vielleicht war genau diese Enttäuschung über ein großes Aufflammen eines neuen Kaukasus-Krieges, Umarovs Triebfeder für seine Rücktritts-Botschaft vor wenigen Tagen. Von Moskau und seinen kaukasischen Lakaien gejagt, gelang dem wenig charismatischen Tschetschenen nicht, was sein Vorgänger Shamil Basayev und dessen arabischer Kommandeur Ibn Khattab vermochten. Die "tschetschenische Sache" sollte durch den neuen Terror zu einer "kaukasischen Sache" und damit ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit geraten. Diese Kampagne schlug fehl.

Russland zog im Frühjahr 2009 die letzten Truppenverbände aus Tschetschenien ab und übergab die Macht und damit den Kampf gegen die verbleibenden Rebellengruppierungen an die lokalen Herrscher. In ihnen hat Umarov einen weitaus schwieriger zu fassenden Feind als in Moskau. Die kaukasischen Fürsten regieren mafia-style. Sie entspringen großen Familienklans, die über weitgestrickte Netzwerke verfügen. Polizei, Miliz, Militär, Geheimdienst - alles bleibt innerhalb der Klans, ist verwoben und oft loyaler als es Russlands Soldaten gegenüber Moskau waren. Der Anti-Terror-Krieg eines Hamza Kadyrov ist nicht weniger blutig, nicht weniger kontraproduktiv und nicht weniger menschenverachtend als der russischer Besatzungstruppen. Aber er funktioniert anders, meist ohne Uniformen, ohne Militärfahrzeuge und ohne sichtbare Feinde. Für Dokku Umarov war dieser Krieg wohl zu kompliziert geworden.

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