Monday, January 26, 2009

Einmal Guantanamo und zurück


Al Qaida hat zwei neue Helden. Helden nicht wegen ihrer Taten, sondern weil sie der lebende Beweis sind dass Amerikas Anti-Terrorkriege gescheitert sind. Ihr Erscheinen aber führt gerade jetzt vor Augen welche Probleme der Fall "Guantanamo" aufwirft.


Kein Richter sieht es gerne wenn der von ihm verurteilte wieder auf freien Fuß kommt, und wenn er ihm dann auch auf irgendeine Weise wieder über den Weg läuft sorgt das verständlicherweise für Wut und Zorn.

In Camp X-Ray (später Camp Delta), dem weltbekannten Gefangenenlager der US-Army auf Guantanamo gibt es keine offiziellen Gerichte, lediglich Militärtribunale. Die Einrichtung wurde auch, das muss fairerweise gesagt werden, nicht zur juristischen Abhandlung von Verbrechen errichtet sondern eher als eine Art Gulag, ein extrem gesicherter Ort. Wenige Gebäude, Zellen,

Verhörräume, Militärbaracken für das Personal, Überwachungskameras, Zäune und wieder Zäune und vor allem Drahtkäfige – das ist Guantanamo im Wesentlichen.

Niemand gelingt hier die Flucht, sicherer als Alcatraz, berüchtigter und sagenumwobener als jedes andere Gefängnis der Welt. Keiner der anfänglich ca.1000 Insassen konnte entkommen, keiner konnte der Welt auch nur in irgendeiner Art Botschaften zukommen lassen. Weggeschlossen, gefesselt, eingepfercht, ohne Gerichtsverfahren, ohne Anklage, ohne internationale Beobachter und ohne Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsgrundlagen für Strafgefangene fristeten seit Errichtung des Lagers im Jahr 2002 sogenannte „feindliche Kombattanten“ ihr Dasein, Gefangene der amerikanischen Kriege gegen den Terror, im Irak und Afghanistan, aber auch von der CI

A entführte Verdächtige aus dutzenden anderen Ländern. Aus 40 Nationen stammten die Muslime als das Lager die höchste Zahl an Insassen hatte, darunter einige Minderjährige (der jüngste 13 Jahre alt).

Die Administration von George W. Bush betrachtete alle in Guantanamo sitzenden Personen als Islamisten der radikalsten Sorte, Hardliner der Al Qaida, extrem-gefährliche Fanatiker, jeder von ihnen eine Bedrohung für die Bürger der Vereinigten Staaten und der freien Welt.

Was mag wohl in den Soldaten und Geheimdienstler, generell in den Verantwortlichen, vorgegangen sein als sie vor wenigen Tagen zwei ehemalige Guantanamo-Häftlinge wieder zu sehen bekamen, fröhlich grinsend, mit Patronengürtel um die Brust gebunden, Kalaschnikow in der Hand, posierend vor der Flagge des Dschihad? Ein im Internet veröffentlichtes Video zeigt die Szene die im Moment Politiker und besonders Geheimdienstler Magenschmerzen bereiten dürfte: Vier Männer sitzen auf dem Boden eines hel

len Raumes, irgendwo in einem arabischen Land. In der Dschihad-Szene dürfte keiner von ihnen große Popularität genießen, anders als die üblichen Video-Prediger Osama bin Laden, Ayman al Zawahiri, Abu Yayha al Libi oder Mustafa Abu al Yazid. Interessant wird die Videobotschaft erst wenn einem klar wird wer dort zu sehen ist. Rechts im Bild sitzt, eine Panzerfaust geschultert, Guantanamo-Häftling Nr.333, Name: Abu Hareth Mohammed al-Oufi, zweiter von links ist Häftling Nr.372, Abu Sufyan Said al-Shahri, beide sind saudische Staatsbürger.

Bei den anderen beiden militanten Islamisten handelt es sich um Abu Baseer Nasir al-Wahayshri und Abu Hureira Qassim al-Raimi, Anführer des jemenitisch-saudischen Al Qaida-Flügels. In fröhlicher Runde erscheinen diese gesuchten Terroristen nun vor der Kamera und erklären man werde absofort eine gemeinsame Organisation mit dem Namen „Al Qaida der Arabische Halbinsel“ (Tanzim al-Qaidat fil Jazeera tul Arab), eine Vereinigung zwischen der Al Qaida in Saudi-Arabien und Jemen, anführen im Dschihad gegen die Ungläubigen die weiterhin islamischen Boden besetzt halten. „Hier beginnen wir…und wir treffen uns in Al Aqsa wieder“, lautet der kämpferische, selbstbewusste Titel der Videobotschaft.

Zwei hochrangige saudische Al Qaida Mitglieder schafften anscheinend den Weg aus Amerikas Terrorknast zurück in die Heimat, in die Reihen der alten Kampfkameraden. Al-Shahri wird inzwischen von amerikanischen Quellen als der neue Führer der jemenitisch-saudischen Al Qaida gesucht, sein Ex-Mithäftling al-Qufi fungiert als Kommandeur der Truppe und soll maßgeblich in die Planung von Anschlägen gegen westliche Ziele auf der arabischen Halbinsel beteiligt sein. Wie konnten diese beiden Hardliner des internationalen Dschihad in die eigenen Reihen zurückkehren und ihren heiligen Krieg gegen Amerika und seine Verbündeten wieder aufnehmen? Ein formaler juristischer Fehler dürfte ausgeschlossen werden. Eher ist davon auszugehen dass das US-Militär gewillt war die beiden in ihre Heimat abzuschieben, da man davon ausging dort werde man sie weiterhin in Haft behalten oder sogar wegen terroristischer Aktivitäten v

erurteilen. Falsch gedacht. Al-Shahri und Al-Qufi wurden tatsächlich von Guantanamo aus vor etwa einem Jahr in das Königreich Saudi-Arabien abgeschoben und dort in eine Rehabitilationsstätte, eine Art Umerziehungscamp für Dschihadis gesteckt. Diese mehrwöchige psychologische Wäsche soll aus überzeugten Islamisten lammfromme, gesetzestreue und brave muslimische Mitbürger machen. Eine Erfolgquote lässt sich nicht ermitteln, nur eines steht fest: viele derjenigen jungen Männer die durch diese Seminare gingen fanden sich danach wieder auf den Schlachtfeldern des Irak, Afghanistan oder sonst wo auf dem Globus wo ein Dschihad im Gange ist.

Im Fall der beiden Guantanamo-Häftlinge half die Therapie offensichtlich nicht mal ansatzweise, aus den Gefangenen Nr.373 und 333 wurden wieder gefährliche Terroristen die eine Gefahr nicht nur für amerikanische und israel

ische Interessen im Nahen Osten darstellen. Nacheinander reisten die beiden im Jahr 2008 aus der saudischen Heimat in das südliche Jemen, einem Land in dem die Zahl der Al Qaida Kämpfer nach Geheimdienstangaben nicht ermittelbar hoch ist. Von den heute in Guantanamo einsitzenden Häftlingen (etwa 300), machen jemenitische Staatsbürger mit 100 Insassen die größte Volksgruppe aus. Wie viele bereits entlassen wurden und nun wieder ihrer „Berufung zum Gotteskrieger“ nachgehen kann nur geschätzt werden. Vom US-Verteidigungsministerium heißt es zehn ehemalige Guantanamo-Häftlinge seien in Afghanistan und im Irak wieder gefasst und inhaftiert worden - die Zahl der getöteten dürfte mindestens genauso groß sein.

Dass das Video der arabischen Al Qaida genau jetzt auftauchte kann entweder als purer Zufall oder als beabsichtigte Tat der Organisation gewertet werden. Immerhin verkündete der neu gewählte US-Präsident Barak Obama wenige Tage zuvor man werde Guantanamo, ein Schandfleck in Amerikas Geschichte, innerhalb eines Jahres schließen. Nur was soll mit den noch Inhaftieren pas

sieren? Zurück in die Heimatländer? Abschieben in Staaten wie Syrien, Libyen, China oder Tschad bedeutet für solche erklärten Feinde der dortigen „unislamischen“ Regime die Todesstrafe oder zumindest Folter und Qualen in dunklen Kellerverliesen. Was also tun mit ihnen? Barak Obama und seine Regierung muss schnellst möglich eine Antwort auf diese und andere Fragen finden, denn einfach laufen lassen oder es riskieren dass einige dieser absolut fanatischen Extremisten jemals wieder die Gelegenheit bekommen menschliches Leben abgesehen von ihrem eigenen zu vernichten, kann keine Option sein, erst recht nicht nach dem je

tzt aufgetauchten Video der beiden Ex-Guantanamo-Häftlinge die inzwischen wohl wieder an neuen Anschlägen planen.

Heute nun ließ das US-Außenministerium eine Warnung für die US-Botschaft und alle US-Bürger im Jemen herausgeben. Man habe Hinweise auf einen geplanten Anschlag in naher Zukunft hieß es. Wenige Stunden später kam es tatsächlich an einem Checkpoint in der Nähe der amerikanischen Botschaft in Sanaa zu einem Feuergefecht mit unbekannten Militanten, die daraufhin flüchten konnten.

Guantanamo bleibt ein schwieriger Fall. Das Ziel scheint klar, eine Schließung des Lagers. Das Schicksal der Insassen allerdings bleibt ungewiss. W

elche Staaten sind bereit islamistische Terroristen aufzunehmen? Und selbst wenn man sich in der EU darauf einigt einige der verbleibenden Jemeniten, Saudis, Kuwaitis, Uiguren, Afghanen, Tschetschenen, Iraker, Algerier oder Ägypter aufzunehmen, muss geklärt werden ob und wenn ja unter welchen Bedingungen, nach welchen Maßstäben ihnen ein Prozess gemacht werden kann. Dies alles ist die Herausforderung einer neuen Form des Krieges die zu Beginn dieses Jahrtausends zur dominierenden geworden ist, der asymmetrische Krieg. In den Anfängen der Kriege gegen Partisanen, Rebellen und Guerillas machten sich die überlegenen Kriegsparteien keinerlei Gedanken über Militärgerichte und den Status der gefangenen genommenen Kämpfer. Im Polen und Frankreich der 1940er Jahre, im Vietnam-Krieg, im Afghanistanabenteuer der Sowjets, im Libanonfeldzug der Israelis und in den zahllosen Buschkriegen Afrikas und des südamerikanischen Kontinents exekutierte man aufgegriffene „Kämpfer ohne Uniform“ (amerikan

isch = „feindliche Kombatanten) meist an Ort und Stelle, übte oft sogar noch Rache an den umliegenden Dörfern, an Familienangehörigen und Mitwissern. Unter den Augen der heutigen globalen Medienfront kann eine solche systematische Partisanen-Bekämpfung im Irak und Afghanistan ausgeschlossen werden.


Die Inhaftierung in Guantanamo scheint, und dies dürfte zu denken geben, trotz aller Horrorgeschichten über Folter und Misshandlung, nicht den Kampfeswillen der überzeugten Mujaheddin gebrochen zu haben. Jahre der Haft konnten das ideologische Rückgrat nicht bre

chen, im Gegenteil, eher noch stärken. Die Beweise hierfür grinsen quicklebendig vor einer Kamera - man wird von ihnen hören.





Abu Sufyan Said al-Shahri (Nr.372) Abu al-Hareth Mohammed al-Qufi (Nr.333)

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