Sunday, January 25, 2009

"Aus Ruinen auferstanden...


So oder so ähnlich könnte man bezeichnen was sich derzeit im Gaza-Streifen abspielt. Wochenlanger Krieg, nicht mehr zu zählende israelische Luftangriffe, ein massiver, gründlich geplanter Einsatz von Bodentruppen - all das konnte Hamas nicht vernichten geschweigedenn mundtot machen.

-->
Wie auch? Wer genau war das Ziel der israelischen Militäroperation "Gegossenes Blei": der militärische Arm der Hamas, die "Izzaddin al Qaddam-Brigaden", die politische Führung, die Raketenteams, die Waffenlager, die Schmugglertunnel, die Sicherheitsdienste der Hamas, die Infrastruktur der Terrorzellen...? Was genau wollte Israel zerstören, wen wollte Verteidigungsminister Ehud Barak mit seinem "Krieg bis zum bitteren Ende" besiegen?
Im Westen als Terrororganisation, als Verein radikalislamischer Extremisten, arabischer Fanatiker bekannt hat der Begriff Hamas für die Palästinenser, gerade im Gaza-Streifen, eine völlig andere Bedeutung. In erster Linie ist Hamas hier karikative Einrichtung. Ihre Leute versorgen die Armen, die Kranken, die Alten, die Witwen, die Opfer israelischer Militärgewalt, sorgen für Kindergärten und Schulen und damit für die geringe aber dennoch vorhandene Bildung der Kinder. Erst in zweiter Linie wird Hamas von der Bevölkerung mit Krieg und Kampf, dann aber auch nur mit Widerstand gegen eine verbrecherische Besatzungsmacht und ein terrorisierendes Militär, wahrgenommen. Oftmals geht das erste Gesicht der Hamas mit dem zweiten Hand in Hand, Hilfe für Dienst an der Waffe, Schule als islamistisches Indoktrinationslager.
Hatte Israel versucht Hamas als Organisation zu zerschlagen so war dies bereits vor Beginn der Offensive zum Scheitern verurteilt. Selten war eine politische, eine ideologisch-religiöse Bewegung so mit der zivilen Bevölkerung einer Region vernetzt wie in Gaza. Der Begriff "Hamastan" den proisraelische Stimmen gerne benutzen um den winzigen Streifen Land an der Grenze zu Ägypten zu beschreiben trifft in vielen Bereichen absolut zu. Hamas ist Gaza und Gaza ist Hamas. Genau das dürfte genügen um zu erklären weshalb Hamas militärisch nicht zu vernichten ist. Darum ging es Israel im Endeffekt sicherlich nicht. Es ging um eine Schwächung, eine militärische und auch eine politische. Israels Luftwaffe zerbombte einen großen Teil der Waffenlager, Munitionsdepots, Raketenwerkstätten, Tunnelsysteme und Ausbildungslager der Hamas. "Terroristische Infrastruktur" wie es Militärs nennen konnte durch die massive Bombardierung ausradiert werden. Was die F-16, Apaches und Artillerie nicht vermochte zu zerstören übernahmen die Infantrieeinheiten der IDF. Nach israelischen Angaben töteten die IDF etwa 300 Hamas-Kämpfer, nahmen etliche gefangen.
Selbst das reichte jedoch nicht aus die Organisation an sich unschädlich zu machen.
Kaum verkündete man in Tel Aviv das Ende der erfolgreichen Militäroffensive trat der Gaza-Führer der Hamas Ismail Haniyeh vor die Fernsehkameras und verkündete stolz: "Gott hat uns einen großen Sieg geschenkt, nicht ein Sieg einer Fraktio oder einer Partei oder eines Gebietes sondern des ganzen Volkes!".
Dies war zu erwarten. Man wartete in der Hamas-Führung nur darauf sich wie Hassan Nasrallah im Jahr 2006 zu präsentieren und sich als Sieger zu deklarieren. Nur das Statement eines verzweifelten Fanatikers? Gaza liegt in Schutt und Asche, tausende Häuser sind zerstört, ganze Wohnblocks dem Erdboden gleich gemacht, 1300 Palästinenser wurden getötet, viele mehr verloren ihre Häuser und ihren gesamten Besitz. Israel hingegen verlor kaum ein dutzend Soldaten, Hamas konnte keine großen militärischen Überraschungen wie Hisbollah herbeizaubern, das Häusermeer von Gaza-Stadt wurde eben nicht zum "Friedhof der Zionisten" wie Hamas geschworen hatte. Wie also kann ein Sieg angesichts dieser Bilanz verbucht werden. Ziemlich einfach wenn man dem Credo folgt dass der SIeger derjenige ist der nicht verloren hat. Am Ende hat Hamas vieles verloren, aber die entscheidenden Faktoren konnte Israels Militärmacht ihr nicht nehmen. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist vorhanden wie nie, Waffenlager sind versteckt überall im Gazastreifen noch verhanden, die Tunnelsysteme werden derzeit wieder repariert und der Schmuggel von Waffen und Material hat längst wieder begonnen, international wird Israel als Kriegsverbrecher angeprangert, pro-palästinensische Demonstrationen von Los Angeles bis Teheran und London bis Sydney geiseln den Judenstaat als Terrorist und - das ist von entscheidender Bedeutung- die Qassams flogen über den gesamten Verlauf des Kleinkrieges hinweg nach Sderot, Ashdod und Ashkelon. Kaum jemand hätte erwartet dass Hamas der Übermacht der IDF so lange standhalten und weiterhin Raketen nach Israel schießen kann, aber es ist die bittere Realität für Israels Militärführung. Ja, man konnte Hamas empfindlich treffen und großen Schaden zufügen, aber nur um den Preis eines eigenen, immens hohen Imageschadens. Es fließen bereits wieder Gelder nach Gaza, aus Saudi-Arabien, den Golfstaaten, Syrien und besonders aus dem Iran. Innerhalb weniger Monate wird Hamas sich erholt haben vom Gaza-Krieg. Raketen werden wahrscheinlich jetzt bereits wieder gebaut, neue Geschosse sind bereits wieder auf dem Weg vom Libanon und vom Iran aus Richtung Gaza. Hamas muss ihre Wunden lecken, verblutet jedoch ist sie nicht. Eine Woche nach Ende der Kampfhandlungen patroullieren ihre Kämpfer wieder in den Straßen von Rafah, Beit Lahia und Khan Younis, Bulldozer räumen die Straßen frei, großzügig verspricht die Hamas-Führung rund um Khalid Mashaal aus Damaskus hohe Entschädungszahlungen für jede Familie die eine Person oder ihr Haus im Krieg verloren hat. Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen man habe Israel nicht die Stirn bieten können. Schon gratulieren Assad und Ahmadinejad zum "Sieg über die Zionisten".
In Gaza bastelt man gerade am neuen Heldenepos der ruhmreichen Widerstandskämpfer die ohne Unterstützung der arabischen Nachbarn, ohne internationale Hilfe, ganz auf sich alleine gestellt der gewaltigsten Militäroffensive im Nahen Osten seit Beginn des Konflikt, standgehalten haben. Israel zog ab, nicht die Hamas - aus diesem Faktum wird ein Zerrbild für die Israelfeinde dieser Welt gemalt. Dass Hamas sich so selbst feiern wird kann Israel nicht verhindern. Gefährlich in einer Region in der Symbole und Gesten oft wichtiger sind als reale Gegebenheiten.

No comments: