Sunday, January 25, 2009

Israel gegen Teherans Söldner

Knapp eine Woche schweigen nun die Waffen in Gaza, eine Woche der angespannten Ruhe, eine Woche der Bestandsaufnahme, der Analyse und eines ernüchternden Fazits. -->
Was geschah da in Nahost in den letzten Wochen? Warum läutete Israel das neue Jahr 2009 mit der blutigsten Militäroperation seit Bestehen des jüdischen Staates ein?
So unfassbar für viele Beobachter die Bilder aus dem Gaza-Streifen wenige Tage nach Weihnachten waren, so klar muss auch sein dass dieser Krieg keine spontane Reaktion auf den Dauerbeschuss israelische Grenzstädte durch die Qassams der Hamas war. Sderot wurde nicht erst seit jenen Wochen in Dezember 2008 mit den selbstgebauten, ungelenkten Kleinraketen beschossen. Der Qassam-Regen der letzten Jahre wurde von vielen israelischen Beobachtern als die nächste Stufe der Intifada interpretiert. Nach dem Abzug der IDF und sämtlicher jüdischer Siedler aus Gaza im Jahr 2005 und der demokratischen Machtübernahme der Hamas 2006 wurden die Raketen zur favorisierten Waffe der Militanten die damit dem israelischen Staat aus ihrem Machtbereich im Gazastreifen heraus tagtäglich empfindliche Nadelstiche versetzten. Stetig stieg die Zahl der Raketenangriffe, die Geschosse wurden von der Hamas ständig weiterentwickelt, ihre Reichweiten erhöht, die Sprengköpfe noch explosiver und tödlicher präpariert. Trotzdem starben nicht mehr Israelis als sonst auch durch den Raketenhagel. Für die Einwohner von Sderot und sämtlicher Grenzstädte musste der Alltag zwangsläufig zur Qual werden. Nichts und niemand wurde verschont. Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime, Supermärkte, Spielplätze, Wohnhäuser, alles ist Ziel der Raketen.
Ähnlich wie bei der Taktik der Selbstmordanschläge setzt die Hamas bei ihrem Qassam-Einsatz mehr auf den psychologischen Faktor als auf die reale Praxis der Bedrohung. Niemand in Israel soll sich sicher fühlen, keiner soll verschont bleiben von Racheaktionen der Hamas und vor allem soll kein Israeli jemals das Gefühl verspüren ihre Regierung könnte den Bürgern Sicherheit und Schutz gewährleisten. Zu kurz sind die Qassams in der Luft als dass man sie durch moderne Militärtechnologie ausschalten, vernichten oder nur aufspüren könnte. Lediglich eine Vorwarnzeit von wenigen Sekunden bleibt den Bewohnern Sderots bevor irgendwo, irgendwann wieder eine der Raketen einschlägt. Hamas will triumphieren über die israelische Allmacht und Überlegenheit Zahals.
Dass diese Strategie von ständiger Bedrohung und penetranten Angriffen von Erfolg gekrönt sein kann durfte die Welt im Jahr 2006 mehrere Wochen lang beobachten als Israel in den Krieg gegen die Hisbollah zog. An jedem einzelnen Tag des Krieges gelang es den libanesischen Gotteskriegern dutzende Raketen auf israelische Städte abzufeuern. Hamas fährt nun genau diese Taktik. Aus dem Libanonkrieg ging Hisbollah als Siegerin hervor, denn wie so oft in einem Kampf gegen eine Guerilla siegt nicht derjenige der den anderen schlägt, sondern David siegt gegen Goliath indem er der militärischen Übermacht standhält und durch die Luftschläge und Einsätze der Bodentruppen nicht vernichtet wird. Wie so oft in der Geschichte des Nahostkonflikts sieht man hier deutlich wie Hamas den modus operandi der libanesischen Widerstandskämpfer übernommen hat. Hisbollah erfand in den 1980er Jahren das moderne Selbstmordattentat mit Dschihad-Motivation, Hamas übernahm diese Taktik und perfektionierte sie in perverser Form zu ihrem Hauptinstrument während der 2.Intifada. Es folgte die Intifada der Raketen. Womit wir beim Thema wären.
Unbestritten kann Hisbollah als der verlängerte Arm des Iran im Nahen Osten bezeichnet werden. „Iranische Fremdenlegion“ sagen manche amerikanischen Nahostexperten, andere sehen die Beziehung zwischen der Schiiten-Miliz und der Mullah-Regierung etwas lockerer, im Kern dennoch wie ein Mutter-Tochter-Verhältnis. Seit ihrer Gründung im libanesischen Bürgerkrieg hängt Hisbollah finanziell und materiell an der über Syrien führenden Lebensader aus dem Ayatollah-Staat. Niemand wird bezweifeln dass Teheran die Befehle Hassan Nasrallahs an seine Kämpfer kontrolliert wenn nicht sogar direkt Order nach Beirut gibt wenn es darum geht den verhassten „Zionisten“ empfindliche Schläge zu versetzen. Durch das gewaltige Raketenarsenal, die militärisch gedrillte Guerilla und immensen Rückhalt in der libanesischen - vor allem schiitischen – Bevölkerung stellt Hisbollah eine ständige und nicht zu unterschätzende Gefahr für den jüdischen Staat dar. Israels Norden war und bleibt im Fadenkreuz Hisbollahs. Wie sollte man in Tel Aviv da akzeptieren dass durch Hamas im Süden eine vom Iran massiv unterstützte zweite Front entsteht. Man muss davon ausgehen dass die israelischen Geheimdienste weit mehr über die Hilfe Teherans an Hamas wissen als bisher in den westlichen Medien wahrgenommen wurde. Mehr als nur moralische und diplomatische Unterstützung für die Waffenbrüder in Gaza ist es was seit Jahren aus dem Iran in die palästinensischen Autonomiegebiete fließt. Mit dem Sturz Saddam Husseins fiel auch der größte Gönner der Hamas im Nahen Osten. Nun dürften die iranischen Hardliner den Platz des irakischen Diktators eingenommen haben und sowohl Geld als auch Waffen, Material und logistische Unterstützung an die militanten Palästinensergruppen, allen voran der Hamas, schleusen.
Während man durch die Medien den Eindruck erhält Ismail Haniyeh sei Befehlshaber und Herrscher über Gaza sind sich Kenner einig dass der gedrungene, volksnahe Hamas-Führer in Gaza nur als eine Marionette Khalid Mashaals fungiert. Der Hamas-Funktionär gibt seit der Ermordung Sheikh Yassins und seines Nachfolger-Hardliners Abdel Aziz al Rantisi von seinem syrischen Exil aus den Ton in der Organisation an. Seine Treffen mit syrischen und iranischen Offiziellen verdeutlichen den Einfluss fremder Regime auf Hamas und in die Politik in Gaza. Selbst in Kreisen der radikalsten Israel-Gegner, in salafistischen Bewegungen und selbstverständlich im Lager der patriotischen, entmachteten Fatah sieht man Hamas heute als Söldner Teherans, als Gehilfen der persischen, schiitischen Ungläubigen. Ohne Teheran wäre Hamas nicht in der Lage tausende Kämpfer, deren Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung zu finanzieren, immer effizientere Raketen zu entwickeln und die Guerillapraktiken zu verbessern. Hunderte Hamas-Kämpfer seien in den letzten Jahren im Iran und im Bekaa-Tal des Südlibanon ausgebildet worden, von Kommandeuren der Hisbollah und der iranischen Revolutionsgarden heißt es von israelischen und amerikanischen Geheimdienstquellen. Was ist dran an diesen Behauptungen? Vielleicht sind die Ausmaße nicht korrekt, aber die Fakten sind es wohl. Präsident Ahmadinejad möchte Hamas zur zweiten Hisbollah ausbauen, eine schlagkräftige Miliz mit der Israel nun von Süden her unter Druck gesetzt werden kann.
In der israelischen Administration plante man schon lange einen Militärschlag gegen Irans willige Helfer in unmittelbarer Nachbarschaft, Libanon 2006 war der Anfang, Gaza 2008/2009 war die Fortsetzung. Beides waren Signale in Richtung Teheran. Beim ersten Mal hatte man militärisch einige Fehlschläge wegstecken müssen, die Luftwaffe hatte nicht schnell und massiv genug eine Vielzahl von Zielen im Südlibanon angegriffen, die Bodenoffensive verlief sich aufgrund einer fehlenden Strategie zur Bekämpfung der Miliz stockend und enttäuschend. In Gaza wollte man diese Fehler nicht begehen. Härter als jemals erwartet werden konnte, schneller und umfangreicher schlug die israelische Armee zu. Hunderte Kampfflugzeuge und Helikopter griffen zahllose Ziele an die mit Hamas direkt oder indirekt in Verbindung standen, Bodentruppen teilten das Häusermeer der Flüchtlingslager und erkämpften Straße um Straße, Wohnblock um Wohnblock, Tunnel um Tunnel mit überraschend wenig Verlusten in eigenen Reihen.
In Realität dürfte jedoch niemand, weder Verteidigungsminister Barak, noch Ex-Geheimdienstlerin Livni, damit gerechnet haben mit Operation „Gegossenes Blei“ das Rückgrat der Hamas zu brechen. Es ging um etwas anderes als die Vernichtung einer fest in der Millionen-Bevölkerung von Gaza verankerten Organisation, es ging darum das Bild der israelischen Stärke wieder zurecht zu rücken. Mit dem Libanon-Disaster vor zwei Jahren verlor Israel in den Augen der arabischen, muslimischen Welt den letzten Funken Allmacht. Die „Superpower“ des Nahen Ostens war in Galiläa am zermürbenden Partisanenkrieg und am Zerbröckeln der Heimatfront gescheitert. Gaza musste anders verlaufen. Diesmal stand die israelische Bevölkerung bis zuletzt hinter ihrer Regierung und der Armee. IDF verteidigte israelische Bürger die in ihrem Alltag durch Hamas terrorisiert wurden. Mit nichts konnte Hamas ihre andauernden Raketenangriffe rechtfertigen, kein Siedler lebt mehr in Gaza, kein israelischer Soldat tat dort seinen Dienst, die Qassams sind reine Provokation Ein Waffengang war aus israelischer Sicht unausweichlich, er kam im Wahlkampf und vom Zeitpunkt des politischen Vakuums in den USA sehr recht und diente dem Zweck der Wiederherstellung Israels militärischer Stärke, eine andere Motivation ist reine Fassade.
Drei Wochen, 1300 tote Palästinenser, tausende zerstörte Gebäude, vernichtete Infrastruktur und nicht erfassbaren Imageschadens später wird man beim Mossad wohl Bilanz ziehen: Hat Hassan Nasrallah, hat Damaskus, hat vor allem Teheran die Botschaft der „Operation Gegossenes Blei“ verstanden? Schlagkräftig wie nie, aber auch erbarmungslos wie selten bombte sich Israel zur militärischen Allmacht die jederzeit wieder bereit zu sein scheint gegen ihre Feinde schonungslos loszuschlagen. Dafür opferte Israel viel, vor allem palästinensisches Leben.

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