Tuesday, August 3, 2010

Trommeln des Krieges in Galiläa



Vielen Beobachter hatten es kommen sehen, geradezu heraufbeschworen. Es lag in der Luft über dem Heiligen Land, eine Stimmung am Siedepunkt, ein Fass das nur auf den letzten Tropfen wartete. Heute nun kam er - in Form eines Baumes.
Ein Grenzgefecht zwischen israelischen und libanesischen Soldaten verlief blutig und forderte Tote und Verletzte. Innerhalb weniger Minuten war die ohnehin zerbrechliche Ruhe in den Hügeln und Tälern Nord-Galiläas beendet, es dröhnten Schüsse und Sirenen, Hubschrauber evakuierten die Verletzten, Rettungskräfte löschten brennende Militärfahrzeuge.

Was war passiert? Für eine routinemäßige Kontrolle der Überwachungssysteme, die Israel direkt an der Grenze zum Süd-Libanon platziert hat, hatten am Vormittag israelische Soldaten eine Patrouillenfahrt entlang des Grenzzauns absolviert. Dabei bemerkten sie offenbar, dass eine kleinen Zeder das Sichtfeld einer israelischen Überwachungskamera verdeckte. Die Soldaten riefen ein Kranfahrtzeug heran und beschlossen, das Gestrüpp, dass sich jenseits des Grenzzauns befand, zu stutzen.
Nach israelischer Darstellung informierte die IDF zuvor die UNIFEL-Friedenstruppen, die im Süden des Libanon stationiert sind und den Frieden zwischen dem von der Hisbollah kontrollierten Teil der Zedernrepublik und Nord-Israel wahren sollen.

Mit Hilfe eines Krans machten sich die israelischen Militärs nun auf, den Baum zu beseitigen, der nach israelischen Angaben noch auf Territorium des Judenstaates wuchs. Der Grenzzaun, der an manchen Stellen lediglich ein einfacher Maschendrahtzaun ist, repräsentiere nicht überall zwangsläufig auch den korrekten Verlauf der israelisch-libanesischen Grenze. Der Baum soll also ein israelischer gewesen sein, kein libanesischer.

Die Einheiten der libanesischen Armee sahen dies wohl anders, und eröffneten ersten Berichten zufolge während der Baum-Beseitigungsaktion das Feuer auf die israelischen Soldaten. Dabei wurde der 45jährige Battalionskommandeur Lt.Col. Dov Harari getötet. Der Platoon commander Cpt. Ezra Lakia (30) erlitt schwerer Verletzungen.

Blitzschnell reagierten die IDF auf den Beschuss aus dem Libanon und schossen zunächst mit Artillerie zurück. Die explosiven Geschosse schlugen neben einem libanesischen Truppentransporter ein, dieser brannte vollständig aus. Zwei libanesische Soldaten starben sofort, ein weiterer erlag wenig später seinen Verletzungen.

Kurz darauf attackierten israelische Kampfhubschrauber einen Außenposten der libanesischen Streitkräfte im Dorf Al-Taybeh mit Raketen. Mehrere Militärfahrzeuge wurden bei dieser Vergeltungsaktion zerstört.

Ebenfalls tot sein soll nach dem heutigen Scharmützel, ein arabischer Journalist der libanesischen Zeitung "Al Akhbar", der sich augenscheinlich in der Nähe der libanesischen Truppen aufgehalten hatte.

Israel erkennt im heutigen Zwischenfall eine klare Verletzung der UN Resolution 1701, die seit dem Libanon-Krieg 2006 für den Frieden zwischen den beiden Nachbarstaaten sorgen soll. Man habe die UN vor der Beseitigung des Baumes über die Arbeiten am Grenzzaun informiert, so ein Sprecher des israelischen Militärs. Der Angriff von libanesischer Seite habe ohne Provokation stattgefunden.

Interessanterweise spielte Hisbollah im jüngsten Schusswechsel keine Rolle. Die schiitischen Extremisten hatten in den vergangenen Monaten mehrfach mit scharfer Rhetorik auf die Berichte aus Israel reagiert, die libanesische Miliz sei mit iranischer und syrischer Hilfe massiv aufgerüstet worden. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah beschwor, ein neuer Krieg mit Israel würde für die "Zionisten-Feinde" äußerst verlustreich enden. Seine Gruppe sei jederzeit bereit für einen erneuten Schlagabtausch.

Nasrallah erklärte jüngst bei einer Rede am 25.Juli, der Krieg im Jahr 2006 sei Teil einer Verschwörung gewesen, eine von Israel dominierte Region zu schaffen. "Mit dem Blut dieser glorreichen Märtyrer ist es uns gelungen, diesen Plan zunichte zu machen", so Nasrallah. Der libanesische Widerstand habe damals einen Sieg errungen und den Respekt von Schiiten und Sunniten, aber auch von Christen, sowohl im Libanon als auch anderswo gewonnen.



Nach dem blutigen Zwischenfall verhält sich Hisbollah noch überraschend ruhig. Beobachter hatten eine weitere Konfrontation zwischen ihr und Israel in den kommenden Monaten vorausgesagt. Ein Säbelrasseln auf politischer Ebene war schon seit langem zu hören gewesen, nun musste nur noch ein passendes Ereignis den Kriegstreibern auf beiden Seiten die Gelegenheit bieten, den Abzug zu drücken.

Bislang regnete es keine Raketen auf Nord-Israel. Der Tod dreier libanesischer Soldaten ist für Hisbollah wohl noch kein ausreichender Grund einen ausgewachsenen Krieg vom Zaun zu brechen. Sie wartet ab, und genießt offenbar, wie nervös und sensibel Israel auf die Ereignisse an seiner Nord-Grenze reagiert.

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