Einlandend wirkt die Gegend rund um den Steindamm nicht gerade. Der Kiez im Hamburger Stadtteil Stadtteil St.Georg, unweit des Hamburger Hauptbahnhofs, gilt als Umschlagplatz für Drogen, Hort der Prostitution. Kampfsportvereine, Fitness-Center und Callcenter reihen sich hier aneinander. Und mitten drin ein unscheinbares Gebäude, das der Haupttreffpunkt der deutschen Dschihadisten-Szene gewesen sein soll - die "Masjid Taiba". Hier, am Steindamm 103, direkt zwischen einem Fitness-Center und einem Restaurant hatte sich der "Taiba, Arabisch-Deutscher Kulturverein e.V." eingenistet, ein Sammelplatz salafistischer Gläubiger in der Hansestadt.
Razzia in der "Masjid Taiba" im Hamburger St.Georg-Viertel
Gegründet hatten den Kulturverein, zu dem auch eine Buchhandlung, ein Friseur und ein Supermarkt gehören, marokkanische Einwanderer im Jahr 1993. Seitdem galt das Gotteshaus, das damals noch "Al Quds Moschee" hieß, als Anlaufstelle für die Anhänger einer konservativen, ultraorthodoxen Auslegung des sunnitischen Islam.
Nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001, geriet die Hamburger Salafisten-Moschee weltweit in die Schlagzeilen: Die Todespiloten um den Ägypter Mohammed Atta hatten hier gebetet. Ein Gruppenfoto, aufgenommen im innern der Moschee, zeigt die Mitglieder der Terrorzelle nur wenige Monate vor dem Massenmord von New York und Washington.
Was folgte waren Durchsuchungen der Hamburger Polizei und massive Überwachung durch den Verfassungsschutz und die Hamburger Innenbehörde. Es gab keinen Zweifel daran dass in der Al Quds-Moschee konspirative Treffen abgehalten wurden, und die Imame Gewalt gegen Andersgläubige predigten. Mitschnitte der arabischen Predigten des marokkanischen Geistlichen Imam Fazazi, der im Jahr 1990 zwei Wochen in der Hamburger Moschee predigte (und heute eine 30jährige Haftstrafe in Marokko verbüßt), fanden sich als käuflich zu erwerbende Videos in der Buchhandlung am Steindamm 103. Der Originaltext dieser Predigten und Frage-Antwort-Runden verarbeitete der Regisseur Romould Karmakar im äußert sehenswerten Dokumentarfilm "Hamburger Lektionen".
Die Liste jener, die am Steindamm 103 zum regelmäßig ihr Gebet verrichteten, zeigt welche Stellung die Moschee innerhalb der gewaltbereiten Islamistenszene in Deutschland hat. Abdelghani Mzoudi, ein marokkanischer Helfer der 9/11-Attentäter, war auch nach seiner Freispruch 2004, häufig Gast in der "Masjid Taiba". Der in Hamburg lebende Deutsch-Syrer Mamoun Darkazanli, der als mutmaßlicher al-Qaida Helfer und Finanzier gilt, soll bis zuletzt als Prediger in der Moschee aufgetreten sein, die seit geraumer Zeit über keinen festen Imam mehr verfügt.
Regelmäßig tauchte die Taiba-Moschee in den Jahresberichten des Hamburger Verfassungsschutzes als Treffpunkt radikaler Islamisten auf. Ein Verbot des Kulturvereins und eine Schließung der Räumlichkeiten fand aber bis heute nicht statt.
Vor einigen Tagen berichtete der FOCUS, die Hamburger Verfassungsschutzer planten eine Razzia in der Islamisten-Moschee, Innenminister Christian Ahlhaus (CDU) habe bislang jedoch seine Zustimmung verweigert, da er vor dem beginnenden Ramadan und den Hamburger Wahlen nicht als rechter Hardliner auftreten wolle.
Heute Morgen gegen 06:30 Uhr machten die Hamburger Behörden ernst. Eine 20köpfige Einheit aus Polizeibeamten und Verfassungsschützern sammelte sich vor der Taiba-Moschee, die Türschlösser wurden aufgebohrt und Räumlichkeiten durchsucht. Dabei beschlagnahmten die Beamten Computer, Dokumente und offenbar auch Bargeld. Ein Sprecher der Innenbehörde teilte mit, der arabische Kulturverein "Taiba" sei verboten worden und die Moschee am Steindamm werde geschlossen.
Grund dafür ist offenbar, dass "Taiba" nach Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzes weiterhin ein "Hauptanziehungspunkt für die dschihadistische Szene" sei. Diese soll in Hamburg etwa 100 Personen umfassen, die islamistische Gewalt befürworten oder propagieren. Darüber hinaus habe sich ein "Dschihad-Tourismus" entwickelt: Leute aus dem Ausland haben in ihrer Heimat damit geprahlt, dass sie in jener Moschee gebetet hatte, in denen die 9/11 Attentäter Stammgäste waren.
Auf einer Pressekonferenz am Vormittag warnte Innenminister Ahlhaus, Hamburg dürfe nicht zum Zentrum dschihadistischer Rekrutierung in Deutschland werden. „Wir haben heute die Taiba-Moschee geschlossen, weil dort junge Männer zu religiösen Fanatikern herangezüchtet wurden", so Ahlhaus, "Ein angeblicher Kulturverein hat hinter den Kulissen die Freiheiten unseres demokratischen Rechtsstaats schamlos ausgenutzt, um für den Heiligen Krieg zu werben.“
Der lebende Beweis für die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden heißt Shahab D.. Der 27jährige Hamburger iranischer Abstammung verkehrte in der "Taiba"-Moschee, gehörte zum sogenannten "50er Club", einem Zirkel von jungen Muslimen, die sich immer wieder zum Koranlesen und Debattieren am Steindamm 103 trafen.
D., der als elfjähriger Flüchtling in Folge des Iran-Irak-Krieges mit seiner Familie nach Deutschland kam, verließ Hamburg am 04.März 2009 mit seiner Lebensgefährtin und mindestens drei weiteren Personen aus der "Taiba"-Moschee. Über Qatar reisten die Hamburger ins pakistanische Peshawar und von dort aus weiter in die Stammesgebiete von Waziristan.
Im Oktober 2009 tauchte Shahab D. erstmals als "Abu Askar" in einem islamistischen Propagandavideo der "Islamischen Bewegung Usbekistans" (IMU) auf, der er sich anschloss und in deren Reihen weitere deutsche Dschihadisten kämpfen. "Wir haben Deutschland und unsere Eltern nur verlassen", so D., "um diese Religion zum siege zu führen!"
Shahab D. war nur eine von insgesamt elf Personen aus dem Kreis des "50er Clubs", die im Frühjahr 2009 nach Pakistan ausreisen und sich in Terrorlager an der afghanisch-pakistanischen Grenze begeben wollten. Zu den anderen Dschihad-Touristen zählen u.a. ein weiterer Deutsch-Iraner, ein gebürtiger Syrer, ein Franzose, eine junge Deutsch-Afrikanerin und zwei deutsche Konvertiten.
Laut Verfassungsschutz wurde einer Person noch vor Verlassen der Bundesrepublik der Reisepass entzogen, um eine Ausreise zu verhindern. Zwei Hamburger Terrorverdächtige wurden zudem in Pakistan festgenommen und nach Deutschland abgeschoben.
Die beiden Konvertiten Michael W. und Alexander J. sind nach mehrmonatigem Aufenthalt in einem Terrorcamp der IMU inzwischen wieder in der Hansestadt Hamburg. Da beide Islamisten ihre Dschihad-Reise über Wien nach Pakistan antraten, bevor das Gesetz in Kraft trat, welches den Besuch in einem paramilitärischen Terrorlager strafbar macht, können Michael W. und Alexander J. strafrechtlich nicht belangt werden.
Der Anführer der Hamburger Dschihadisten-Zelle, der Deutsch-Syrer Rami M., befindet sich mittlerweile in Haft. Der vorbestrafte Kiffer und ehemalige Kleinkriminelle, der lange im Frankfurter Drogenmilieu aktiv gewesen sein soll, war vor wenigen Jahren nach Hamburg gezogen und besuchte ebenfalls die "Taiba"-Moschee. Verfassungsschützer sehen in ihm die treibende Kraft hinter den Ausreisen von Hamburg in die Dschihad-Camps am Hindukusch.
Ende Juni war Rami M., versteckt unter einer Burqa, an einem militärischen Checkpoint der pakistanischen Armee nahe der Stadt Bannu, in den Stammesgebieten festgenommen worden.
Zuvor hatte Rami M., der wohl ebenfalls in einem Lager der IMU militärisch ausgebildet worden war, die deutsche Botschaft in Islamabad kontaktiert. Reuig habe er den deutschen Beamten erklärt, er wolle zurück in die Bundesrepublik und habe dem bewaffneten Kampf abgeschworen. Ohne Reisepass und Führerschein, die er beide verloren habe, könne er jedoch nicht zurückreisen. Die Botschaft solle ihm ein Schreiben ausstellen, mit dem er sicher nach Deutschland zurückkehren könne.
Deutsche Sicherheitsbehörden wurden daraufhin informiert und es kam zu einer Meinungsverschiedenheit. Während die Botschaft einen "Freibrief" ausstellte, mit dem Rami M. bis Islamabad reisen könnte. In Deutschland aber war man nicht von der Reue und Ungefährlichkeit M.`s überzeugt. Das Bundeskriminalamt informierte die pakistanischen Behörden über die geplante Reise Rami M.´s, der daraufhin festgenommen und vom pakistanischen Geheimdienst ISI verhört wurde, was seine Familie in Deutschland heftig kritisierte und den deutschen Behörden zur Last legte.
Rami M. hatte aus Waziristan Gesinnungsgenossen und Angehörige in Deutschland kontaktiert. Von Gewaltmärschen durch die Berge berichtete er seinem Vater, dass er ein Märtyrer werden wolle schrieb er seiner Frau. Hoffnungsvoll klangen die Nachrichten aus Waziristan nicht. M. war offenbar verzweifelt und hatte genug vom Dschihad. Durch die Kontaktaufnahme des Hamburger Islamisten kam es zu Razzien in Hannover, Frankfurt und Hamburg - die Verbindungspersonen von M. standen unter Beobachung.
Seine Stammmoschee, die Masjid Taiba, hielt - wenn auch mit einigem Abstand - zu ihrem regelmäßigen Gast. Auf ihrer Internetseite nahmen die Moscheebetreiber Stellung zu den Vorwürfen ein terroristischer Gefährde sei bei ihnen ein und aus gegangen. Sie stellten zunächst in Frage ob Rami M. "Frankfurter oder Hamburger?" gewesen sei. In Pressemeldungen war die Biografie des Islamisten häufig falsch dargestellt worden.
Dass Rami M. in der Hamburger Moschee präsent war, bestritt der Kulturverein nicht. Er sei aber nur einer von vielen gewesen.
Daraufhin hagelte es im Online-Gästebuch und Internetforen harsche Kritik an der Moscheeleitung. Warum sie nicht zum "Bruder Rami" stehe und ihn gegen die Medien verteidige, so die anonymen Kommentatoren.
Bohrt man tiefer in den Kontakten der Taiba-Moschee-Besucher, wird deutlich dass dort ein dschihadistisches Millieu herangewachsen ist, dessen Idole Anwar al-Awlaki und Bekkay Harrach sind.
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