Sunday, September 6, 2009
Israels verschollene Söhne
In Israel sind ihre Gesichter so bekannt wie sonst nur Popstars. Gemäß einer inoffiziellen, fast schon heiligen Regelung verpflichtet sich das Oberkommando der israelischen Streitkräfte keinen Soldaten des jüdischen Staates jemals, tot oder lebendig, auf dem Schlachtfeld zurück zu lassen.
Aus diesem Grund wiegen die Schicksale von drei IDF Soldaten besonders schwer in der jungen aber turbulenten militärischen Geschichte Israels
Jeweils im Abstand von fast genau einem Jahrzehnt verschwanden drei israelische Armeeangehörige. Ihre Rückkehr zu sichern oder im Falle ihres Todes die Umstände ihres Schicksals aufzuklären, hat für die israelischen Regierung seit den frühen 1990er Jahren höchste Priorität. Hinter den Kulissen finden diplomatische Deals statt, es wird geschachert um Zettel, Briefe, Verhörprotokolle, Fotos, Videoaufnahmen oder nur kleinste Fetzen Stoff die auf den Verbleib der Personen Aufschluss geben könnten.
Wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet kommt nun zumindest in den ältesten Fall von Israels verlorenen Söhnen ein wenig mehr Licht ins Dunkle:
Ron Arad
Der 1958 geborene Waffensystemoffizier der israelischen Luftwaffe wurde am 16.Oktober 1986, während des Libanonkrieges nahe der Stadt Sidon abgeschossen. Während der Pilot gerettet werden konnte, gelangte Arad in die Hände der schiitischen AMAL-Miliz. Sie nahmen den verletzten israelischen Soldaten gefangen und forderten Lösegeld von Israel. Mustafa al Dirani entführte Arad in einer Nacht und Nebel-Aktion aus den Händen der AMAL und lief zur proiranischen, neugegründeten Hisbollah über.
Im Jahr 1987 drehen die schiitischen Gotteskrieger in ihrem Versteck, irgendwo in der Bekaa-Ebene des Zentrallibanon, ein Video welches ihre wertvolle Geisel zeigt, bärtig und ausgemergelt. Zu jener Zeit entstehen wohl auch die Briefe an seine Familie, die Hisbollah später an Israel im Zuge eines Gefangenenaustausches übergeben wird.
Nabi Shith, ein kleines Dorf in der Bekaa wurde zum Gefängnis für Ron Arad. Hisbollah-Leute des dortigen Schukur-Familienklans halten den Israeli gefangen. Es herrschte noch Krieg zu jener Zeit, die israelische Luftwaffe bombardierte Hisbollah-Ziele im Süd-Libanon, u.a. das Dorf Nabi Shith. Aus Angst flohen die Wachen Ron Arads, der in einem Verließ zurückgelassen wurde. Als sie am nächsten Tag nach ihrer Geisel sehen wollte war Arad verschwunden.
Mustafa al Dirani wurde 1994 Opfer einer israelischen Spezialeinheit. Sie entführten den ranghohen Hisbollah-Kommandeur aus seinem Dorf und verhörten ihn jahrelang. Dirani sagte den Israelis er habe mit iranischen Pasdaran-Vertretern (Revolutionsgarden) über den gefangenen Israeli gesprochen. Diese, so vermutet Dirani, hätten Ron Arad aus dem Libanon in den Iran gebracht. Quellen aus der Hisbollah bestätigen dies.
Im jetzt veröffentlichten Abschlussbericht der israelischen Ermittler heißt es jedoch Arad sei höchstwahrscheinlich krank geworden und die Pasdaran hätten ihn auf halber Strecke wieder in den Libanon zurück geschafft. Im Bekaa-Tal soll er irgendwann zwischen 1994 und 1997 verstorben sein, vermutlich 1995. Kämpfer der Hisbollah hätten seinen Leichnam verscharrt und Stillschweigen darüber bewahrt um den Fall “heiß” zu halten. Arad sollte als Verhandlungsmasse weiterhin zur Verfügung stehen, obwohl er längst tot war.
Selbst Hisbollah-Chef Nasrallah betonte stets er wisse nichts genaues über das Schicksal von Ron Arad, seine Organisation habe schon sehr früh nicht mehr die Verantwortung über die israelische Geisel gehabt.
Noch fehlen die DNA Beweise aus dem Libanon, Knochen die Hisbollah 2004 präsentierte erwiesen sich nicht als jene von Ron Arad. Iranische Geheimdienstler konnten keinerlei sichere Beweise für den Tod des israelischen Navigators liefern. Ausrüstungsgegenstände, Teile seiner Uniform und persönliche Notizen übergab die "Partei Gottes" in den letzten Jahres an Israel, jüngst gelangte dann auch die Videoaufnahme aus den späten 1980er Jahren an die Öffentlichkeit.
Der Abschlussbericht des Untersuchungskomitees besagt nun, Ron Arad sei bereits Mitte der 1990er Jahre gestorben, und zwar nicht durch die Hände der Hisbollah, wohl aber in ihrem Einflussgebiet.
Guy Hever
Vor 12 Jahren, am 17.August 1997 gegen 09:30 Uhr verließ der IDF Soldat Guy Hever seine Basis an den Golanhöhen nahe der syrischen Grenze. Seitdem hat man nie wieder etwas von ihm gehört. Er gilt als MIA, “missing in action”.
Als er verschwand trug Hever seine Militäruniform und hatte sein Sturmgewehr bei sich. Familie und Freunde rätseln seit jenem Tag genauso wie Geheimdienste und die israelische Bevölkerung über das Schicksal des 1977 geborenen Soldaten.
Eine Theorie besagt Hever habe nach einem Streit mit dem Kommandeur der Artillerieeinheit, in deren Reihen er stationiert war, die Basis aus Zorn und Verärgerung verlassen und sei eine Klippe hinunter gestürzt und tödlich verunglückt. Manche sagen es sei Selbstmord gewesen, andere Kameraden sprechen von Leichtsinn. Ein Leichnam wurde jedoch bis heute nicht gefunden.
Guy Hevers Familie glaubt der Vermisste habe die Grenze zu Syrien übertreten und sei von den Syrern gefangen genommen worden. In einem Kerker irgendwo in Damaskus, so glauben die Hevers, sitzt der Soldat seitdem als Geisel des Assad-Regimes.
Im April 2008 überbrachte Ex-US Präsident Jimmy Carter dem syrischen Machthaber ein Foto von Guy Hever und bat um Aufklärung. Syrien bestreitet irgendetwas mit dem verschwinden des damals 20jährigen zutun zu haben.
Das “Widerstandskomitee für die Befreiung der Golan-Höhen”, veröffentlichte im Februar 2007 ein Statement in dem es behauptet Hever entführt zu haben. Für seine Freilassung fordere man die Herausgabe von mehreren drusischen Gefangenen in israelischer Haft. Nie zuvor war diese Gruppe aufgetreten, es gibt keinerlei Hinweise der Behauptung glauben zu schenken. Israels Geheimdienste verwerfen das Statement als Wichtigtuerei.
Russlands Nahost-Vermittler soll für mehr Aufklärung sorgen. Auf Bitten der Mutter von Guy Hever, Rina Hever, übergab er dem syrischen Außenminister Walid Moallem vor knapp zwei Wochen eine Anfrage Israels. Syrien antwortete man werde das möglichste tun Licht ins Dunkle zu bringen, aber man habe nichts mit dem Verschwinden von Guy Hever zutun.
Insgesamt 10 Millionen Dollar bietet die israelische “Born for Freedom”-Foundation für brauchbare Informationen über die Schicksale von Ron Arad und Guy Hever. Bislang konnte kein abschließender Durchbruch erreicht werden.
Gilad Shalit
Der jüngste Fall ist der des entführten Gilad Shalit. Palästinensische Militanten der Hamas verschleppten den 19jährigen am 25.Juni 2006 am Kerem Shalom Grenzposten am Gaza-Streifen. Shalit ist seitdem Gefangener der Hamas und ständiges Thema von mal geheimen, mal offiziellen Verhandlungen.
Seine Familie übt Druck auf Israels Regierung aus den Sohn endlich nach Hause zu holen. Hamas möchte im Gegenzug Mitglieder aus israelischen Gefängnissen freipressen, und zwar gleich hunderte, inklusive verurteilter Terroristen, Mörder und Bombenbauer. In Israel sorgt der Fall regelmäßig für Schlagzeilen weil kurioserweise feststeht wo sich Shalit befindet. Er hat Gaza nie verlassen, Hamas hält ihn irgendwo in den Kellerräumen ihrer Verstecke gefangen und dies erfolgreich seit drei Jahren. Trotz der Offensive “Gegossenes Blei” im vergangenen Januar und mehrerer Luftangriffe auf den Gaza-Streifen scheint Hamas den israelischen Soldaten erfolgreich von Geheimdiensten und Militär abzuschirmen.
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