Thursday, September 3, 2009

Amerikanische Dschihadisten sterben in Somalia


Am 12.Juli 2009 richtete sich der somalische Präsident Sheikh Sharif Ahmed mit einer außergewöhnlichen Bitte an die Exil-Bevölkerung seines Landes, die in den USA eine neue Heimat gefunden hat. “Ich bitte die somalisch-amerikanische Gemeinde ihre Jugend nicht nach Somalia zu schicken um dort mit der Al Shabaab Miliz zu kämpfen!” Der Aufruf kam nur einen Tag nachdem eine somalische Familie im amerikanischen Minneapolis über das Internet erfuhr dass ihr Sohn in Somalia als Dschihad-Kämpfer starb. Er ist nicht der erste Exil-Somali der am Horn von Afrika getötet wurde, und er wird wohl nicht der letzte bleiben.

Als Jamal Sheikh Bana seine Heimat verließ war er gerade ein Jahr alt. Seine Eltern flohen 1990 kurz nach Beginn des Bürgerkrieges in Somalia.
In einem kenianischen Flüchtlingslager überlegte der junge Jamal nur knapp eine Malaria-Erkrankung, bevor die Familie schließlich 1996 dank der Hilfe der amerikanischen Lutheran Church in die USA immigrieren durfte. Später zog es die somalischen Flüchtlingsfamilie in die Metropole Minneapolis (Minnesota).
Im Stadtviertel St.Paul wuchs im Laufe der 1990er Jahre mit heute etwa 50,000 Mitgliedern die größte somalische Diaspora Nordamerikas heran.

Jamal wuchs als typischer amerikanischer Teenager auf, schloss die High School ab und begann ein Studium der Elektrotechnik am Normandale Community College in Bloomington, Minnesota. Um seine Eltern und seine Geschwister, darunter zwei gehörlose Kinder, finanziell zu unterstützen arbeitete der junge Exil-Somali beim US-Kaufhaus Macy´s und als Wachmann einer Sicherheitsfirma.
Anders als viele somalische Jugendliche in seinem Umfeld hielt sich der 20jährige zur Freude der Eltern fern von kriminellen Aktivitäten, Drogen oder Gangs. Regelmäßig besuchte er die örtliche Moschee und folgte den islamischen Bräuchen und Gesetzen.
Als die Familie am 04.November letzten Jahres gespannt die amerikanische Präsidentschaftswahl verfolgte verschwand der älteste Sohn urplötzlich ohne Hinweis auf seinen Verbleib.
Wenige Tage später klingelte das Telefon im Haus der Eltern. “Ich bin in Somalia” - mehr sagte Jamal nicht, dann legte er auf. Seine Mutter brach in Tränen aus, Familie und Freunde standen unter Schock.

Monate nachdem ihr Sohn ohne Erklärung verschwand kam die Schreckensmeldung. Ein Freund der Familie meldete sich am 11.Juli und erklärte ein Foto von Jamal sei im Internet aufgetaucht.

Somalias Militär hatte Journalisten trophäengleich die Leichen getöteter Islamisten in Mogadischu präsentiert. Auf einigen der Fotos identifizierten die Eltern einen Leichnam als ihren Sohn Jamal. Bärtig und ausgemergelt lag er fast nackt auf einem Tuch, getötet durch einen Schuss in den Hinterkopf.

Das FBI fand heraus dass Jamal Bana nur einer von mindestens sechs somalischen Jugendlichen aus dem Raum Minneapolis war die in jenen Novembertagen die Vereinigten Staaten verließen und sich im tausende Kilometer entfernten Somalia der islamistischen Shabaab-Miliz angeschlossen hatten. Aus Sicht der amerikanischen Ermittler habe man es mit einem ganzen Netzwerk zutun dass gezielt junge Männer radikalisiere, Propagandamaterial verteile, sie für terroristische Zwecke anwerbe und ans Horn von Afrika schleuse.
Angeworben von militanten Islamisten zogen dutzende Somalis aus den Exil-Gemeinden der USA in den Dschihad gegen die äthiopischen Besatzungstruppen und die Soldaten der African Union.

Begonnen hat die Ausreisewelle der selbsternannten Gotteskrieger bereits Ende 2007, als etwa 20 junge Männer aus St.Paul, Minneapolis verschwanden, wenig später ihre Familien kontaktierten und ihnen mitteilten sie seien in Somalia.
Mittlerweile sprechen die amerikanischen Behörden von der sogenannten “ersten Welle” somalischer Rekruten.

Zu diesen ersten “home grown” Dschihadisten gehörte auch Shirwa Ahmed, der im Alter von 13 Jahren als Bürgerkriegsflüchtling zunächst nach Portland, dann nach Minneapolis kam.
Nach seinem High School Abschluss arbeitete er als Medikamentenkurier und als Behindertenbetreuer am Flughafen. Im Jahr 2003, kurz nach Beginn des Irakkriegs, setzte eine religiöse Erweckung in Shirwas Leben ein, berichten Freunde. Der junge Somali besuchte häufiger die Moschee, ließ sich einen Vollbart stehen und engagiert sich in der Gemeinde der Abubakr Moschee. Sehr zur Freude der Familie rief er Gleichaltrige auf Alkohol und Drogen fern zu bleiben und studierte religiöse Schriften. Ende 2007 war Shirwa Ahmed verschwunden, er reiste über Saudi-Arabien nach Kenia und von dort aus ins benachbarte Somalia.

Aus dem vollintegrierten amerikanischen Staatsbürger wurde ein Gotteskrieger der Al Qaida verbündeten Shabaab-Miliz. Noch im Oktober 2008 meldete sich Shirwa telefonisch bei seiner Schwester in den USA. Er befinde sich im Jemen und wolle nach Hause. Tage später kam ein zweiter Anruf, diesmal eine unbekannte Stimme: “Dein Bruder ist ein Märtyrer. Er ist im Paradies.”
Shirwa Ahmed hatte sich am 29.Oktober 2008 im Norden Somalias in die Luft gesprengt, 29 Menschen mit in den Tod gerissen und war zum ersten amerikanischen Selbstmordattentäter geworden.

Wie der 27jährige Shirwa machten sich gegen Ende 2007 eine ganze Reihe junger Somalis auf in ihren Heiligen Krieg.
Einige, wie der rapbegeisterte Salah Osman Ahmed (26), kehrten enttäuscht in die USA zurück. “Es war einfach nichts für ihn. Er hatte das Gefühl er gehörte nicht so recht dort hin”, berichtete ein Freund nachdem Salah im Sommer 2008 wieder in Amerika auftauchte.

Zakaria Maruf blieb. Ihn macht das FBI verantwortlich die zweite Ausreisewelle vorangetrieben zu haben. 1993 als junger Teenager von Somalia nach Minneapolis geflohen schloss sich der heute 30jährige der Straßengang “Hot Boyz” an, einer kriminellen Jugendorganisation die einst als Musikgruppe auf somalischen Hochzeiten auftrat. Zakaria qualifizierte sich für das Basketballteam seiner Schule, der Edison High School, tourte mit seiner Mannschaft durch Kanada und die USA. Aufgrund der kriminellen Vergangenheit verlief die Jobsuche zunächst erfolglos, dann stellte Wal-Mart den jungen Exil-Somali als Lagerarbeiter ein. In seiner Freizeit besuchte Maruf oft die Moschee. Ein von ihm dort aufgenommener Gebetsruf soll bis heute einer der beliebtesten Handyklingeltöne der Somali-Jugend im Stadtteil St.Paul sein.
Irgendwann verschwand Zakaria Maruf in Richtung Afrika. Heute soll er als Anwerber der Shabaab-Organisation tätig sein und junge Männer aus den amerikanischen Somali-Gemeinden für den Dschihad rekrutieren.

Über diese Kontakte im Umfeld der Abubakr-Moschee und dem dazugehörigen islamischen Gemeindezentrum traten die Extremisten an Jamal Bana und andere Jugendlichen der “zweiten Welle” heran.
Neben Bana verschwanden rund um den 04.November 2008 mindestens fünf weitere Männer aus Minneapolis. Die Teenager haben sich gekannt, so fand das FBI heraus, und organisierten gemeinsam ihre Ausreise.

Für etwa 1,800 USDollar kaufte angeblich jeder der Terrorrekruten Flugtickets von Minnesota nach Nairobi (Kenia) oder nach Dubai (VAE), um dann von dort aus mit der somalischen Fluglinie Daallo Airlines nach Mogadischu zu reisen. Aufgefallen war diese Vorgehensweise weil ein örtliches Reisebüro angab einige jugendliche Kunden hätten beinahe zeitgleich ihre Tickets in bar bezahlt, meist ohne Rückreise.
Da es sich bei den Terror-Teenagern um US-Staatsbürger handelt wächst die Angst bei den Behörden dass die Möglichkeit frei zu reisen zu einer terroristischen Gefahr werden könnte.

Neben Jamal Sheikh Bana und Shirwa Ahmed fand im Juni auch der 17jährige Burhan Hassan in Somalia den Tod. Von seinen Freunden “Little Bashir” genannt, begeisterte sich das Mathegenie und Basketballtalent in seiner Freizeit besonders für den Islam. In seiner Moschee erhielt er eine Auszeichnung für das Auswendiglernen des Koran. Dort, erklärte sein Onkel Abdirizak Bihi in einem Interview, habe man ihn “mental gekidnappt” und ihm “eine Gehirnwäsche verpasst”. Burhans Angehörige bekamen am 05.Juni die Nachricht der Junge sei bei einem Gefecht erschossen worden.

Für die amerikanischen Terrorermittler steht fest dass die derzeit in Somalia aktiven amerikanischen Islamisten Verbindungen über die Schule, Universitäten und die Moschee hatten. Das AbuBakr as Saddique Islamic Center scheint Knotenpunkt des Netzwerkes zu sein. Hier beteten die späteren Gotteskrieger, hier hörten sie vom Dschihad in der Heimat ihrer Vorfahren und der Pflicht muslimisches Land zu verteidigen.
Derlei Aktivitäten bestreitet der Imam der Einrichtungen Sheikh Abdirahman Sheikh Omar entschieden: “Man kann nicht kontrollieren was im Kopf anderer Leute vor sich geht, welche Ideologie und Überzeugung sie vertreten.”

Vom Virus des islamistischen Fanatismus befallen scheinen weit mehr us-somalische Teenager zu sein als Experten bisher vermuteten. Ein Krankenwagenfahrer, ein ehemaliges Gang-Mitglied, ein weißer Konvertit namens Troy Matthew, ein Präsident einer somalischen Schüler-Vertretung, ein 17jähriger Lebemann dessen Facebook-Profilbild das Portrait Osama Bin Ladens zierte - sie alle verließen das Land in das ihre Familien vor fast zwei Jahrzehnten geflohen waren um ein besseres, sicheres Leben zu führen.

Die meisten von ihnen dürften inzwischen in den ausländischen Kampfeinheiten der Shabaab-Islamisten dienen. Mehrere hundert nicht-somalische Dschihadisten sollen sich in Somalia derzeit tummeln, darunter nicht nur die “Boys” aus Minneapolis sondern auch somalische Immigrantenkinder aus Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Australien und Kanada.
Ende Juli erst nahm die kenianische Polizei im Grenzgebiet zu Somalia vier niederländische Staatsbürger, alle 21 Jahre alte Exil-Somalis, fest. Anschließend brachte man die Gruppe unter Verdacht Terrorrekruten zu sein nach Nairobi für weitere Verhöre.

Kommandiert und ausgebildet werden die ausländischen Exil-Somalis angeblich von einem gesuchten Al Qaida Terroristen namens Abu Saleh al Nabhani, ein Mann der seine Befehle vom neuen Superstar des Terrornetzwerkes, Abu Yahya al Libi, direkt aus Pakistan bekommen soll.
Somalias Präsident Sharif Ahmed erklärte Ende Juli in einem Zeitungsinterview, er wisse dass Osama Bin Laden persönlich den libyschen Islamisten Abu Yahya damit beauftragt habe, den Dschihad in Somalia zu koordinieren. Direkter Verbindungsmann am Horn von Afrika ist ein Somali namens Ahmed Abdi Godane, der in den 1990er Jahren in afghanischen Al Qaida Camps seine Ausbildung genossen hat.

Propagandastar des somalischen Dschihads wurde über die letzten Monate ein hellhäutiger Amerikaner namens "Abu Mansour al Amriki". Es soll sich um einen Sohn einer arabischen Mutter und eines amerikanischen Vaters handeln, der als US-Soldat in Bosnien und dem Kosovo stationiert war bevor er zum radikalen Islamismus konvertierte.

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