Tuesday, August 11, 2009
Ist der entführte US Soldat ein Deserteur?
Gerüchte und Spekulationen ranken sich um die Geschichte des in Afghanistan entführten US Soldaten Bowe Bergdahl. Seitdem die Taliban ein Video aus seiner Geiselhaft veröffentlichten sprießen die Theorien darüber, ob der Abenteurer und Ballettänzer aus Idaho ein Deserteur ist oder seine Entführung sogar nur inszeniert. Tatsächlich gibt es Widersprüche im Fall Bergdahl, ausgelöst durch Aussagen von Verwandten und Bekannten aber auch vom Entführten selbst.
Hailey, Idaho ist eine beschauliche 7,000 Seelen
Gemeinde in den Bergen Zentral-Idahos.
Bekannt war der kleine Ort bisher nur wenigen.
Hier zieht es Einheimische und Touristen zum
Wandern in die Wälder, es wird geangelt,
geritten und im Winter Skigefahren. Der eigene
kleine Flughafen ist Zielort für alle
Winterurlauber die ihre Ferien im nahegelegenen
Sun Valley verbringen wollen.
Vormals berühmteste Einwohner Haileys waren
Bruce Willis und Demi Moore, die hier gleich
mehrere Anwesen besitzen sollen. Auch Arnold
Schwarzenegger, Tom Hanks und andere
Hollywood-Schauspieler sollen ab und an die
Abgeschiedenheit und ursprüngliche Natur rund
um die Ortschaft genießen.
Mitte Juli stürmten die Reporter der US Medien
die idyllische Kleinstadt. Der Grund heißt Bowe
Robert Bergdahl, ist ein 23jähriger Gefreiter der
US Army und derzeit Geisel der Taliban in
Afghanistan.
Kurz nachdem die Identität des jungen Soldaten
bekannt wurde, begann das Ringen um
Informationen, Hintergründe über das
Privatleben und die Familie des ersten entführten
Militärangehörigen seit Beginn des Afghanistan-
Krieges 2001.
Nachdem bereits Anhang des Monat von Seiten
des Verteidigungsministeriums bestätigt worden
war dass ein Soldat in Ost-Afghanistan vermisst
werde, tauchte dann am 18.Juli der visuelle
Beweis in Form eines Taliban-Videos auf. Über
eine halbe Stunde wird Bergdahl von den
afghanischen Islamisten beim Essen gefilmt,
propagandagerecht ausgefragt.
Seitdem flattern an fast jedem Baum an Haileys
Straßen gelbe Bänder und Schleifen, aufgehängt
von Menschen die so ihr Mitgefühl für den
Entführten und seine Familie ausdrücken wollen.
An Tankstellen, beim Bäcker und in
Supermärkten hängen Schilder auf denen
gefordert wird, man solle für eine sichere
Heimkehr von Bowe Bergdahl beten. Ein ganzer
Ort hofft und bangt.
Am 22.Juli fand in “Zaney´s River Street Coffee
House” eine Kerzenandacht statt, hunderte
kamen. Dort hatte Bowe Bergdahl gearbeitet,
einer von zwei Jobs als Barista, mit denen er bis
2008 sein Geld verdiente. “Er kam mit jedem gut
zurecht. Er hatte eine sehr offene Art”, berichtet
die Inhaberin von Zaney´s, Sue Martin.
Planlos suchte Bergdahl nach Jobs mit denen er
Reisen finanzieren konnte. Einmal brach er
mehrere Wochen zu einer Radtour durch
Kalifornien auf dann heuerte er in Bristol Bay,
Alaska, auf einem Fischkutter an, erzählt dem
Kapitän es sei sein größter Traum mit dem
Motorrad die Welt zu umrunden Später schuftete
er monatelang auf Baustellen. Anwohner
berichten man habe ihn nur auf seinem
Mountainbike gesehen, denn Autos habe er
verabscheut. Einmal bot der örtliche Sheriff dem
Jungen an, ihn bei strömendem Regen nach
Hause zu fahren, Bergdahl lehnte ab. Er wolle die
Sitze nicht nass machen.
2007 stellte sich der spätere Soldat bei Dick
Mandeville vom örtlichen Blaine County Gun Club
vor und fragte nach einem Sommerjob. Dieser
zögerte nicht lange und ließ den fleißigen
21jährigen Waffen reinigen, Zielscheiben
aufstellen aber auch Schützen beim Einweisen
der Gewehre und Pistolen helfen, “Er war in jeder
Hinsicht gut.”
Wenn Bowe Bergdahl nicht gerade einem seiner
Gelegenheitsjobs nachging, traf man ihn in der
örtlichen Bibliothek, wo er oft stundenlang las.
Seine größte Leidenschaft galt dem Fechtsport
und dem Ballet. Auf die Frage warum ein
offensichtlicher Outdoor-Fan wie Bergdahl
ausgerechnet Tänzer in der “Sun Valley Ballet
School” wurde, entgegnet seine ehemalige
Chefin in der Kaffeebar: “er war doch nicht
dumm. Da gibt es viele hübsche Mädchen.”
Sein damaliger Vermieter beschreibt Bergdahl als
eine für sein Alter ungewöhnlich reife und
höfliche Person, dennoch getrieben vom “Wunsch
nach Abenteuer”. Dieser Freigeist und die Ehe
seiner Schwester mit einem Soldaten, brachten
ihn im Juni 2008 zum Militär. Er unterschrieb die
Papiere mit dem freien Willen seinem Land zu
dienen, sagen Freund der Familie.
Bergdahls erste Station wurde Fort Benning,
Georgie, ein Ausbildungscamp der US Army für
neue Rekruten. Danach wird er Teil der
25.Infantriedivision, stationiert in Fort
Richardson ,Alaska.
Etwas über ein halbes Jahr dauerte die
Ausbildung, dann bekam Bergdahls Einheit den
Marschbefehl nach Afghanistan. Im Februar 2009
bezog der 23jährige mit seinen Kameraden einen
Außenposten in der Provinz Paktika, südlich von
Kabul, nahe der pakistanischen Grenze. Die
bergige Region gilt als extrem gefährlich und
“talibanverseucht”. Hier kommen islamistische
Kämpfer von Pakistan über die Grenze, greifen
regelmäßig NATO Truppen an und ziehen sich
wieder zurück. Dominierend ist dabei das
Netzwerk des Haqqani-Klans, einer
Talibangruppe deren Anführer, Jalahuddin und
dessen Sohn Sirajuddin, erfahrene Kämpfer aus
Zeiten des Krieges gegen die Sowjets sind.
In ihre Hände soll Bowe Bergdahl am 30.Juni
2009 durch eine Unachtsamkeit gefallen sein.
Erstmals erklärte das US-Militär in einem
Statement am 03.Juli, ein Soldat habe seinen
Dienst nicht angetreten und werde seit Tagen
vermisst. Vermutet wurde zu diesem Zeitpunkt
bereits eine Entführung.
Das wirklich Ungewöhnliche an dieser Meldung
war die Tatsache dass sich der Soldat alleine und
ohne Bewaffnung von seiner Position entfernt
haben soll. “Feindliche Elemente niederen Rangs”
hieß es vom amerikanischen Militär, hätten Bowe
Bergdahl und drei afghanische Soldaten
überwältigt und verschleppt.
Noch immer sind die Umstände seines
Verschwindens mysteriös, teils widersprüchlich
und der Anlass von Spekulationen.
In einem Internetstatement brüsteten sich die
Taliban drei Tage nachdem die US-Armee das
Verschwinden bestätigte, den Soldaten im
betrunkenen Zustand gekidnappt zu haben. Kein
Wort von weiteren afghanischen Geiseln.
Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahed bestätigte,
Kämpfer des lokalen Kommandeurs Maulvi
Sangin hätten den Amerikanern in die
benachbarte Ghazni Provinz gebracht. Über sein
Schicksal entscheide die Taliban-Führerung um
Mullah Mohammed Omar.
Als Bergdahl dann in einem Video der Taliban
erschien, auf dem Boden eines Gebäudes
sitzend, essend und trinkend, fast eine halbe
Stunde lang Fragen eines englischsprachigen
Interviewers beantwortete, tauchten neue
Informationen auf. Die Taliban hätten ihn
gekidnappt weil er zu weit hinter seiner Patrouille
zurückgeblieben sei, berichtet der Soldat.
Diese Patrouille soll es nie gegeben haben.
Bergdahl, so berichten Quellen aus dem Militär,
habe den Stützpunkt nach seinem Wachdienst
alleine verlassen. Seine Ausrüstung inklusive
schusssicherer Weste und seiner Waffe hatte er
zurückgelassen, nur eine Flasche Wasser, einen
Kompass und ein Messer nahm er mit.
Die Widersprüche häufen sich als Bergdahl vor
der Kamera der Taliban von einer Freundin
spricht, die zuhause in Hailey auf ihn warte und
die er heiraten wolle.
“Das klingt alles nicht nach ihm”, erklärt Kim
Dellacorva Harrison. Die Kunstlehrerin ist in
Bergdahls Militärakte als Patentante vermerkt.
Dass der junge Soldat sie als diejenige eintragen
ließ, die im Fall des Todes benachrichtigt werden
solle, ist ein ungewöhnlicher Umstand.
Dellacorva und Bergdahl sind nicht
blutsverwandt, aber mit ihrer Familie soll er seit
seiner Jugend viel Zeit verbracht haben, sie
wurden zu einer Art Ersatzeltern und hatten
Einblick in sein Leben.
Bowe habe keine fest Freundin, seine Aussagen
über die Familie und der Wunsch zu heiraten
klängen absolut nicht ihrem Patenkind, so
Dellacorva. Sie wisse aber dass er zu diesem
Zeitpunkt unter Stress stand.
Gestresst wirkt die kahlrasierte Person im Video
nicht, eher ruhig, leicht eingeschüchtert.
Insgesamt, so mutmaßen einige Kommentaroren
im Internet, könne die Aufnahme auch inszeniert
sein. Einige wollen das Getränk der Geisel als
Fanta identifiziert haben. Seine Mahlzeit bestehe
aus einem eingeschweißten Stück Gebäck, alles
Lebensmittel die es in dieser Region der Welt in
solcher Form nicht gebe. Im Hintergrund sind
Kinderstimmen zu hören, eine Tatsache die
Skeptiker vermuten lässt, das Video sei
unmöglich in einer Kriegsregion gemacht worden
wo es täglich amerikanische Angriffe gibt.
Besonders misstrauisch aber macht die meist
konservativen amerikanischen Hobby-Analytiker
der Umstand dass der Soldat die Fragen seiner
Entführer anscheinend so punktgenau und
treffend beantwortet, wie diese es gerne hätten.
Vom Kriegsgrund, über Anschuldigungen von
Misshandlung und Folter bis zum Flehen
Bergdahls an das amerikanische Volk die
Truppen abzuziehen - alles klinge einfach
propagandistisch zu perfekt für die gegnerische
Seite.
Der Vorwurf, den mittlerweile sogar ehemalige
Militärs im US Fernsehen erheben, ist hart und
einmalig in der Geschichte des Antiterrorkrieges.
Bergdahl sei ein “Deserteur und Lügner”, so
Ralph Peters, Lt.Colonel im Ruhestand, die
Taliban würden der US Armee einen
Gerichtsprozess wegen Verrat ersparen, sollten
sie den Gefreiten töten.
Trotz der zahllosen Hinweise auf eine echte
Entführung durch Taliban-Kämpfer reißen die
Spekulationen nicht ab. Mancher ein Blogger will
von Kameraden Bergdahls erfahren haben, dass
es eine Abschiedsnotiz gebe, in der er mitteile, er
wolle “in die Berge ziehen und sich selbst
finden”. Diesen Schritt habe er lange geplant und
mehrere Tagesrationen Trinkwasser
mitgenommen. Angeblich, so die anonymen
Quellen weiter, soll es erst zur Entführung
gekommen sein nachdem Bergdahl in einem
afghanischen Dorf gefragt habe, ob es dort
englischsprachige Einheimische gebe.
Bob und Jani Bergdahl, Bowes Eltern dürften sich
für die Gerüchte, Mutmaßungen und
Anschuldigungen der letzten Tage wenig
interessieren. Sie wollen ihren verschleppten
Sohn wieder in Sicherheit wissen. Vor 30 Jahren
zogen sie in einen abgelegenen Canyon,
außerhalb von Hailey. Die Abgeschiedenheit und
friedliche Ruhe war wohl ausschlaggebend für die
Wahl ihres Wohnortes. Bob, Fahrer bei einem
Speditionsunternehmen, und seine Ehefrau
unterrichteten Tochter Sky und Sohn Bowe
zuhause, nur für den High School Abschluss
mussten ihre Kinder für kurze Zeit eine staatliche
Schule besuchen.
Bis jetzt hielt sich die öffentlichkeitsscheue
Familie von den Kameras und Reportern fern.
“Betet für Bowe und respektiert unser Bedürfnis
nach Privatsphäre in dieser schwierigen Zeit”,
ließen die Eltern verlauten. Sie seien überwältigt
von den weltweiten Anteilnahme und
Unterstützung.
Sky Bergdahl, die Schwester des Entführten,
richtete eine schriftliche Botschaft an ihren
Bruder: “Bowe, ich denke du würdest lächeln
wenn du sehen könntest wie viele Leute dich
lieben.”
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