Wednesday, August 12, 2009

Vielleicht ein bisschen tot...das Schicksal Baitullah Mehsuds


Pakistan rätselt seit einer Woche, und in diesem Wirrwarr aus Gerüchten, Hörensagen, Analysen, Statements, Dementis und Lügen wird einmal mehr deutlich auf welchem Kurs sich die bisher einzige islamische Atommacht befindet.

Vor einer Woche sollen zwei Hellfire-Raketen, abgefeuert von einer
CIA Drohne, den Führer der pakistanischen “Tehrik e Taliban” (TTP), Baitullah Mehsud, in Süd-Waziristan getötet haben. Bisher tauchten weder Fotos der Leiche, noch Videoaufnahmen des amerikanischen Angriffs auf.
Es tobt ein Krieg der Worte zwischen Pakistans Regierung auf der einen
und den Taliban auf der anderer Seite. Keine offizielle staatliche Stelle
möchte von einer 100%igen Sicherheit des Todes Mehsuds ausgehen.
Sobald sich der Rauch und Nebel verzieht wird deutlich dass es sich um
ein Machtspiel handelt. Wichtiger noch als die Tatsache ob Mehsud nun
noch unter den Lebenden weilt oder den ersehnten “Märtyrertod”
sterben durfte, ist die immer ersichtlicher werdende Strategie des
pakistanischen Staates gegen die islamistische Bedrohung.
Betrachten wir nüchtern und analytisch die Aussagen der beiden Seiten
zum eventuellen Tode Baitullah Mehsuds:

“Mehsud ist tot!”:

Rehman Malik, Pakistans Innenminister spricht von einer “95%igen
Wahrscheinlichkeit” dass Baitullah Mehsud tatsächlich im Drohnenangriff am 06.August ums Leben kam. Der Taliban-Führer, sollte er am Leben sein, doch einfach vor die Medien treten und beweisen dass er quicklebendig ist.



Shah Mahmud Qureshi, Pakistans Außenminister, geht fest davon aus dass der TTP Anführer und pakistanische Staatsfeind Nr.1 von den CIA Raketen getötet wurde.


Hajji Turkistan Bhittani
, Kommandeur einer Einheit der sogenannten “Abdullah Mehsud - Fraktion”, des inzwischen getöteten Rivalen von Baitullah Mehsud, unterstützt die Behauptungen der Regierung. Die TTP wolle den Tod ihres Anführer nicht zugeben aber hinter den Kulissen sei längst ein Machtkampf entbrannt.
Heute kam die Meldung Kämpfer der “Anti-Mehsud” Gruppe von
Bhittani hätten sich in Jandola, an der Grenze zwischen Süd-Waziristan und Tank, schwere Gefechte mit den Kriegern Baitullah Mehsuds geliefert.

Regierungsnahe Medien zitierten bereits kurz nach dem Bericht über den Angriff in Süd-Waziristan, Augenzeugen berichten es sei bei Sonnenaufgang zu einer Beerdigung Mehsuds nahe des Dorfes Narsudai gekommen. Außerdem sei die lokale Führungsriege der Taliban zu einem Treffen zusammengekommen um einen neuen Chef zu bestimmen.

Diverse amerikanische Stimmen u.a. General James Jones erklärten Mehsud sei ihrem Kenntnisstand höchstwahrscheinlich tot. “Alle Hinweise lassen darauf schließen.”

Die New York Times schreibt in einem ihrer Artikel zur Mehsud-Story die CIA hätte ein Video des Drohnenangriffs an die pakistanischen Kollegen weitergegeben. Darauf sei angeblich Mehsuds Geländewagen zu sehen, der vor dem später zerstörten Haus des Schwiegervaters geparkt wurde. Baitullah Mehsud habe sich auf dem Dach befunden und eine Beinmassage von seiner Frau erhalten als die Raketen im Haus einschlugen, zitiert die NYT einen pakistanischen Offiziellen der das Video gesehen haben will.

“Mehsud lebt!”:

Hakimullah Mehsud, Kommandeur der TTP in Khyber, Arakzai und Kurram ließ bereits vergangenen Freitag verlauten Baitullah Mehsud sei nicht tot und man würde bald Beweise dafür liefern.

Ebenfalls zu Wort meldete sich Wali ur Rahman, ein eher unbekannter Kampfgenosse Mehsuds und heißer Kandidat auf eine eventuelle Nachfolge als Herrscher von Waziristan. Auch Rahman informierte verschiedene Medien darüber dass Mehsud nicht getötet wurde sondern in den Untergrund abgetaucht wäre.

Sowohl Rahman als auch Hakimullah Mehsud dementierten auch in Persona die Behauptungen des pakistanischen Innenministers es sei kurz nach Baitullah Mehsud´s Tod zu einem gewaltsamen Streit zwischen ihnen gekommen. Sowohl Hakimullah wie auch Rahman wären bei einem Feuergefecht zwischen ihre Fraktionen in Waziristan getötet worden, erklärte Malik.
Dem Widersprach Hakimullah Mehsud persönlich, indem er sich am Montag bei pakistanischen Journalisten telefonisch meldete. Auch Wali ur Rahman kontaktierte einen Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters und stellte klar dass es keinen Kampf zwischen ihm und Hakimullahs Leuten gegeben habe, sie seien genauso lebendig wie Baitullah Mehsud.

Maulvi Omar, offizieller Sprecher der TTP, brach am Montag das lange Schweigen und bestätigte dass Baitullah Mehsud nicht tot sei und weiter die TTP führe.

Äußerst ungewöhnlich und selten, ließ auch der Kommandeur der Selbstmord-Brigaden der TTP, Qari Hussein, verlauten sein Chef Baitullah Mehsud weile unter den Lebenden.

Eine der interessantesten Stimmen, die behaupten der pakistanische Taliban-Führer sei nicht tot, kommt aus Ost-Afghanistan. Mullah Sangeen, Kommandeur unter der Leitung von Sirajuddin Haqqani, behauptet er habe Baitullah Mehsud am Donnerstag, 06.August, persönlich getroffen, dem Tag nach der Nacht in der die CIA Drohne zuschlug.
An dieser Aussage ist in erster Linie interessant dass Mullah Sangeen im Haqqani-Netzwerk verantwortlich für die afghanischen Provinzen Paktika und Khost ist, was bedeutet Mehsud hat sich eventuell zum Zeitpunkt seines angeblichen Todes vielleicht gar nicht in Süd-Waziristan aufgehalten.

Maulana Meraj Mehsud, ehemaliger Abgeordneter aus Süd-Waziristan und Angehöriger des Mehsud-Stammes, gab zu Protokoll er habe über seine Kontakte erfahren dass Baitullah Mehsud am Leben sei, aber möglicherweise schwer erkrankt sei und sich deshalb nicht melden könne.

Süd-Waziristans Senator Saleh Shah schloss sich dieser Meinung an.

In einem heute veröffentlichten Internet-Statement der afghanischen Taliban, unterzeichnet vom Online-Korrespondenten “Abdullah” des “Islamischen Emirates Afghanistan” hieß es die pakistanischen Brüder hätten den Taliban im Nachbarland versichert dass Baitullah Mehsud lebt und auch nicht schwer erkrankt ist. Man werde bald ein Video veröffentlichen welches dies beweisen wird. Zudem wisse man dass die pakistanische Regierung zusammen mit den Amerikanern versucht durch das Verbreiten von Gerüchten und Behauptungen, Mehsud aus seinem Versteck zu zwingen um ihn dann zu töten.
Weil sie ihn trotz einmonatiger Überwachung, den Drohnen und Spionen nicht ausfindig machen konnten, würden sie nun Gerüchte über seinen Gesundheitszustand und schließlich seinen Tod streuen. Dass eine seine Ehefrauen letzte Woche bei einem Drohnenangriff ums Leben kam, sei zum Anlass genommen worden zu behaupten Baitullah selbst sei ebenfalls tot. Damit bewirke man jedoch nur dass der Taliban-Führer die Taktik Osama Bin Ladens und Mullah Omars übernehme und in den Untergrund abtauche.


Was ist das Schicksal Baitullah Mehsuds?

Der pakistanische Journalist und Kenner der militanten Dschihad- Szene, Hamid Mir, äußerte jüngst in einem TV Interview seine Sicht der Dinge. Man dürfe nicht außer Acht lassen dass die Regierung behauptet habe Hakimullah und Wali ur Rahman hätten sich in einem blutigen Streit zerfleischt, später stellte sich heraus beide sind wohlauf und hätten keinerlei Rivalitäten. Was also könne man auf die Aussagen des Innenministers geben, er sei sich im Fall Baitullah Mehsuds “95% sicher”?

Tatsächlich sind die Behauptungen der Regierungsseite und ihrer Verbündeter in den Stammesgebieten fragwürdig. Selbst eine Woche nach seinem mutmaßlichen Tod konnten man immer noch nicht an den Ort wo Mehsuds Leichnam beerdigt worden sein soll. Die Region, das Reich Baitullah Mehsuds, ist für die Regierung ein heißes Pflaster.
Weder Armee noch der Geheimdienst ISI wollen sich in diesen islamistischen Dschungel vorwagen, alle Informationen aus Waziristan sind deshalb spärlich und hinterfragungswürdig. Dutzende angebliche Agenten und Spione werden dort Monat für Monat teilweise öffentlich hingerichtet und ihre Leichen warnend platziert.
Auch Islamabad verlässt sich bei der Anti-Taliban-Politik in dieser Region auf die Überwachung durch die amerikanischen Aufklärungsflugzeuge. Doch auch von dieser Seite gibt es bis jetzt nur Behauptungen und Gerüchte über ein Video welches minutiös den tödlichen Anschlag auf Baitullah Mehsud zeigen soll. Warum wird dieser visuelle Beweis, wenn er doch so eindeutig und klar ist, nicht an die Medien weitergegeben? Es heißt man warte auf DNA Untersuchungen zur 100%igen Bestätigung. Diese wird es vermutlich nie geben, denn - sollte es überhaupt eine Leiche geben - an den toten Mehsud wird so schnell niemand der Verantwortlichen herankommen können. Was also soll die bloße Behauptung ohne nachhaltigen Beweis?

Wenn man nicht in die Höhle des Löwen will, muss der Löwe rauskommen

Alles wirkt wie ein strategischer Schachzug, ausgearbeitet von der pakistanischen Regierung und den Amerikanern. Islamabad will sich mit dem Mord an Baitullah Mehsud nicht die eigenen Hände blutig machen. Pakistanis die Pakistanis töten war immer schon etwas was das Militär nur zähneknirschend ertragen und die politische Führung tunlichst vermeiden wollte. Den Aufstand in der Lal Masjid 2007 zu brechen hatte immerhin zum Taliban-Einfall in Swat geführt, eine verlustreiche, brutale Offensive in Süd-Waziristan, will die Regierung Zardari nicht wagen.
Im Juni machte das Militär kurz vor den Hochburgen Mehsuds halt, stoppte angeblich aus strategischen Gründen eine Operation von der die USA gehofft hatten sie würde Baitullah Mehsud zur Strecke bringen.



Nur wenige Male erschien der Herrscher von Waziristan bisher vor den Kameras der Weltöffentlichkeit. Zweimal durfte ihn der Al Jazeera Korrespondent Zaydan interviewen, einmal präsentierte sich Mehsud sogar einer ganzen Reporterschar, allerdings mit dem Rücken zu den Kameras gewandt. Erst letzte Woche tauchten Fotos auf die das Gesicht des bulligen Taliban-Führers unverhüllt zeigen, Mehsud hat immer großen Wert darauf gelegt kein bekanntes Gesicht auf den Fahndungslisten von CIA und ISI zu werden. Durch diese Medienscheu, die Gerüchte über seine Brutalität und seine schier unendliche Macht in den Stammesgebieten und darüber hinaus, entstand eine mysteriöse Figur, die für Pakistan “Public Enemy No.1" wurde.
Mehsud steht für einen aggressiven, unzähmbaren Terroristen der das Land mit blutigen Selbstmordanschlägen überzieht, Benazir Bhutto ermordet haben soll und einen Umsturz in Pakistan plant.

Letztendlich kann man sagen dass Mehsud nie ernsthaft durch die pakistanischen Sicherheitskräfte gefährdet war. Es gab keine realistischen Versuche ihn geheimdienstlich oder durch die Frontier Corps der Armee umzubringen. Die amerikanischen Drohnen waren immer schon näher an ihm und vor allem gewillter den Taliban-Fürsten zur Strecke zu bringen.
Trotz der intensiven Geheimdienstarbeit scheint der patriotische Stammeskrieger nie richtig fassbar gewesen zu sein, jedenfalls verfehlten mindestens sieben CIA-Angriffe der vergangenen Monate ihr eigentliches Ziel. Dutzende seiner Kämpfer, einige wichtige Kommandeure, Ausbilder und auch Familienangehörige, töteten die amerikanischen Raketen, aber Mehsud wurde zu einem Geist.

Es wird immer wahrscheinlicher dass man ihn nun aus seinem Versteck locken will. Mehsud bleibt nur der mediale Auftritt um der Welt zu beweisen dass er noch kein Märtyrer geworden ist und weiterhin die Zügel der TTP in Händen hält. Die Alternative dazu wäre tatsächlich der Weg Bin Ladens und das damit verbundene ewige Versteckspiel.
Vielleicht war der letzte Drohnenangriff so dicht an ihm, dass er sich tatsächlich entscheidet nie wieder öffentlich aufzutreten.

Die mediale Front wartet

Alle Zweifler am Tod Baitullahs, alle Sympathisanten, Unterstützer und Anhänger warten nun auf das angekündigte Video dass den lebendigen Mehsud zeigen soll. Eine solche Aufnahme anzukündigen und den Worten keine Taten folgen zu lassen wäre aus Sicht der Taliban unklug und untypisch.

Zeit gewinnen

Insider glauben es könnte ein Ablenkungsmanöver sein. Eventuell wolle die TTP erst innere Streitigkeiten überwinden, die durch die Führungsperson Mehsud beiseite gelegt worden waren, bevor ein neuer Anführer gewählt und der Tod Mehsuds offiziell verkündet wird. Ähnlich hatte es 2001 die Nordallianz nach der Ermordung Ahmed Shah Massuds gehalten und ganze sechs Wochen lang immer wieder Dementis und widersprüchliche Aussagen gestreut bis ein neuer Kommandeur bestimmt war.

Meine persönliche Meinung?

Baitullah Mehsud wurde schon zu oft für todkrank oder tot erklärt als dass die jüngsten Meldungen einfach so kritiklos hingenommen werden können. Pakistans Regierung kann keine Beweise für ihre Vermutungen und Behauptungen liefern, die amerikanischen Verbündeten tun sich schwer klare Meinungen zu äußern weshalb eindeutig festgestellt werden muss dass die Taliban-Aussagen höheren Wahrheitsgehalt besitzen.
Der Märtyrertod ihres Chefs wäre kein nicht zu verkraftendes Übel für die TTP, einige charismatische Taliban-Fürsten stünden bereit die Nachfolge anzutreten. Warum sollte man also nicht Baitullah Mehsud zum Shahid erklären?

Jede Aussage die den Tod bestätigt und nicht direkte Regierungsquelle ist, ist zumindest mit ihnen verbündet oder lässt sich kaufen. Etliche angebliche Taliban-Sprecher, enge Verbündete Mehsuds, Augenzeugen und Terrorexperten fanden in den vergangenen Tagen Gehör in den Medien. Was fehlt sind die Bestätigungen, bis dahin lebt der Mythos Baitullah Mehsud fort.
Das pakistanische Regime dürfte sich nichts mehr wünschen als dass er tatsächlich tot ist. Er muss es sogar sein denn ein lebeniger Mehsud wäre nicht nur ein medialer Coup der Extraklasse für die Gotteskrieger sondern eine Niederlage der Gegenseite, in jeder Hinsicht.
Jene Personen die seit letztem Donnerstag angaben Mehsud sei in die ewigen Dschihad-Jagdgründe aufgefahren, befinden sich NICHT in Süd-Waziristsn, stützen sich auf persönliche Vermutungen und haben keinen Zugang zu den Taliban-Kreisen des Mehsud-Netzwerkes.

Ich setze deshalb auf: Baitullah Mehsud lebt.

1 comment:

db said...

Ich vermute, dass er auch lebt. Zu oft wurde schon mitgeteilt, dass hohe Al-Qaida- oder Taliban-Führer Tod seien. Und ein Jahr später hat sich rausgestellt, dass sie lebten. Beste Beispiele sind Adam Gadahn & Mustafa Abu Yazid