Tuesday, November 17, 2009

Aus dem Paradies in das Paradies


Zeitweise trägt der Dschihad exotische Früchte: In einem al-Qaida Video tauchte jüngst ein Attentäter auf, der aus dem Urlaubsparadies Malediven stammte. Er ging nach Pakistan um zu sterben und soll nicht der einzige Dschihadist sein, der dafür seine paradiesische Heimat hinter sich ließ.


Ali Jalil verließ vor einem Jahr seine Heimat, den Bezirk Mocowge in Male, der Hauptstadt der Malediven. Nach Auffassung vieler westlicher Touristen lebte Jalil in einem Paradies. Die weißen Sandstrände, Palmen, menschenleere Atolle, verteilt im tiefblauen Meer des Indischen Ozeans ziehen Jahr für Jahr tausende Touristen aus aller Welt an.

Für Ali Jalil war das Leben auf den Malediven nicht paradiesisch genug. Er wollte in den Heiligen Krieg ziehen und als Märtyrer für Allah sterben. Um dies zu erreichen verschwand der 30jährige im Herbst 2008. Er ließ seine Familie, darunter drei kleine Kinder, alle unter neun Jahren alt, zurück ohne sich zu verabschieden.
Seine Familie hatte keine Informationen über seinen Aufenthaltsort. “Es gab keine Kommunikation mehr”, wie ein Verwandter berichtet.

Vor wenigen Wochen tauchte Jalil auf, in einem Propagandavideo der al-Qaida. Zu sehen ist er darin mit einer Sturmgewehr in der Hand, vor einer einem dunkelgrünen Vorhang sitzend.
Irgendwo in einer Lehmhütte Waziristans trägt Jalil, der sich mit Kampfnamen “Musab Sayyid” nennt, seine Märtyrerbotschaft vor. “Ich möchte dass mein Blut der rote Teppich ist, der die islamische Gemeinschaft zu Ruhm führt”, erklärt der Islamist in perfektem Englisch, “Ich möchte Teil der Karawane der Märtyrer sein, ein Mauerstein, auf dem der Islam stehen wird.”

Die nächsten Szenen zeigen Ali Jalil und weitere Islamisten beim Terrortraining in den pakistanischen Stammesgebieten. Es sind die Vorbereitungen auf ihre selbstmörderische Mission.. “Unzählige Stufen der Planung waren nötig”, kommentiert eine Stimme im Video die Tat, “das Märtyrertum war sicher, und lebendig herauszukommen unmöglich.”

Dann zeigt das Video den Terroranschlag am 27.Mai 2009, bei dem der maledivische Dschihadist starb. Aufnahmen von Überwachsungskameras zeigen wie sich ein weißer Minivan der Sicherheitsschranke am Hauptquartier des pakistanischen Geheimdienst ISI in Lahore nähert. Zwei Männer springen heraus, schießen auf das Wachpersonal und öffnen die Schranke. Wenig später rast das sprengstoffbeladene Fahrzeug in das Gebäude und explodiert. Insgesamt 24 Menschen starben.

Ali Jalils Familie, zu Hause auf den Malediven, hatte bereits Gerüchte über seinen Tod gehört, mit dem Video, in dem sie ihn zweifelsfrei identifizierten, bekamen sie jetzt Gewissheit. Jalils Fall ist das erste Beispiel eines islamistischen Selbstmordattentäters von der Inselgruppe im Indischen Ozean. Er soll aber nicht der einzige maledivische Islamist in den Reihen der al-Qaida und Taliban sein.
Im Oktober erst warnte der Präsident der Malediven, Mohammed Nasheed, hunderte junge Männer aus dem Inselstaat seien für den Dschihad in Pakistan und Afghanistan rekrutiert worden. Zehn maledivische Staatsbürger seien bereits im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet getötet worden, hieß es in der Radioansprache des Präsidenten. Da die Malediven keine Universitäten besitzen, würde viele Stundenten die Angebote der kostenlosen Koranschulen in Pakistan wahrnehmen. Dort rekrutieren Taliban und al-Qaida einheimische und ausländische Muslime.

Der al-Qaida Attentäter Ali Jalil wurde wahrscheinlich schon über Moscheen in seiner Heimat rekrutiert. Seine ersten Versuche sich dem Terrornetzwerk Bin Ladens anzuschließen, waren bereits vor wenigen Jahren gescheitert. Srilankanische Polizisten hatten Jalil und sechs weitere Männer im April 2006 auf dem Flughafen von Colombo festgenommen. Sie warteten auf ihren Anschlussflug ins Golfemirat Katar. Damals beschuldigten die Behörden die Gruppe, sich islamistischen Terrornetzwerken im Nahen Osten, möglicherweise im Irak, anschließen zu wollen. Zurück in der Heimat begann Jalil zu predigen und junge Männer um sich zu scharen. Er erzählte von der Pflicht des Dschihad und den Leiden der Muslime weltweit. Da er keine staatliche Erlaubnis besaß religiöse Predigten zu halten, verurteilte ihn ein maledivisches Gericht am 26.Dezember 2006 zu zwei Jahren Hausarrest. Als er die Auflagen nicht erfüllte, bekam er im Februar 2008 eine weitere Strafe. Ein halbes Jahr später verschwand Jalil Richtung Pakistan.

Auf den Malediven bieten sich für islamistische Terroranwerber ideale Bedingungen. Die wenigen Orte des beliebten Urlaubsziels zählen zu den dicht besiedelsten der Erde. Arbeitplätze gibt es hauptsächlich saisonal, im Bereich des Tourismus. Ausländische Urlauber bilden die einzige Einnahmequelle des muslimischen Inselstaates.
Seitdem die Tourismusbranche das Land, in dem jeder Staatsbürger per Gesetz Muslim sein muss, für sich entdeckt haben, wächst auch die Zahl der ausländischen Gastarbeiter, vor allem aus Indien und Pakistan.

No comments: